Großer Andrang beim Podium mit dem euphorischen Titel "Synodalität als Befreiung zu einer gemeinschaftlichen Kirche – Über die Grenzen der römischen Verfassung hinaus" in der Erfurter Predigerkirche. Maria Mesrian, Vertreterin von Maria 2.0 in Köln, erklärt, warum sich die Gruppe nicht am Synodalen Weg beteiligt hat. Sie tut dies in kategorischen, apodiktischen Formulierungen. Manche dieser Sätze sind so unduldsam, dass sie selbst in Teilen des reformaffinen Publikums, das sich hier versammelt hat, eine gewisse Verunsicherung auslöst. Oder bilde ich mir das ein?
Die römisch-katholische Kirche sei "seit 2000 Jahren ein einzigartiges Erfolgsmodell in Sachen Machterhalt", ein "Durchlauferhitzer des Patriarchats". So eine Institution könne nicht "gemeinschaftlich vorangehen". Auch die "sogenannten Reformbischöfe" würden das nicht wirklich wollen.
Die katholische Kirche, so Mesrian, reihe sich ein in antidemokratische, frauenverachtende und queerfeindliche Bewegungen, die überall auf der Welt auf dem Vormarsch seien. Beim Synodalen Weg habe man Dinge verhandelt, die keine Verhandlungssache seien: Es gehe schlichtweg um die Verhinderung von sexuellem Missbrauch, um Menschenrechte und Menschenwürde – darüber gebe es nichts zu verhandeln. Beim Katholikentag werde eine weltoffene Kirche gezeigt, die gesellschaftlich relevant sei; dahinter stehe jedoch ein Machtapparat, der über ein immenses Vermögen verfüge und von 27 Männern geleitet werde, die dafür durch nichts qualifiziert seien, als nur durch ihr Mannsein. Die römisch-katholische Kirche sei "seit 2000 Jahren ein einzigartiges Erfolgsmodell in Sachen Machterhalt", ein "Durchlauferhitzer des Patriarchats". So eine Institution könne nicht "gemeinschaftlich vorangehen". Auch die "sogenannten Reformbischöfe" würden das nicht wirklich wollen. Dagegen gebe es nur ein Mittel: Eine breite, kampagnenfähige innerkirchliche Öffentlichkeit müsse das Machtsystem durch harten Druck und Geldentzug brechen. Das sehe sie aber nicht, vielmehr gebe es eine "schweigende Mehrheit, die zahlt". Die Kirchenspaltung sei längst da. Sie bestehe zwischen den "gut vernetzten rechts-reaktionären Katholiken" auf der einen Seite und den weniger gut vernetzten Reformern. Die katholische Kirche in Deutschland werde sich in eine "traditionalistische Ecke" entwickeln, der Rest werde "diffundieren und sich in kleinen Nischen einrichten".
Weltfrieden
Am Stand des Bistums Essen wird eine Zeitung verteilt: "Die Zukunft. Deutschlands Gute Nachrichten". Das Druckerzeugnis wird vom dortigen Diözesanrat verantwortet und enthält fiktive Artikel aus dem Jahr 2044. Offenbar stellt man sich vor, dass es noch in 20 Jahren Zeitungen auf Papier gibt. Das Blatt meldet die Wahl der ersten Transperson im Amt des Bundeskanzlers, die ihre Kampagne mit dem Slogan "Deutschland ist reif für eine BundesTRANZlerin" geführt habe. Gleichzeitig lässt sich die BundesTRANZlerin mit den Worten zitieren: "Wenn ich mit den Menschen rede, geht es um mein politisches Programm, nicht um meine geschlechtliche Identität." Selbstwidersprüche von Politikern sind scheinbar auch 2044 noch ein Thema. Die BundesTRANZlerin hebt außerdem die Bedeutung ihres Glaubens für den Weg ins Kanzleramt hervor. Überhaupt scheint das Jahr 2044 nicht nur von emanzipatorischen Erfolgen, sondern gleichzeitig von einem Aufschwung religiösen Glaubens geprägt zu sein. "Taufen und Segensfeiern in Deutschland boomen" heißt es in dem Blatt. Die Zeitung vermeldet überdies die Gründung neuer Ordensgemeinschaften. In der Bischofsstadt Essen habe sich soeben der "Orden der St. Junia-Sisters" gegründet. "Die Ordensgemeinschaft ist betont offen: Menschen aller Geschlechter können ihr beitreten. Die Angehörigen widmen sich queer-theologische Studien." Des Weiteren ist zu lesen, dass der Weltfrieden zwischen allen Nationen soeben endgültig vertraglich besiegelt wurde; dieser "große Schritt in eine gerechtere Welt" sei maßgeblich durch die Religionsgemeinschaften vorbereitet worden.