He's AliveOstern – das Lied des Lebens

Ein Lied erzählt die Osternacht aus der Perspektive des Petrus: eine Geschichte von Verrat, Zweifel, Reue und Vergebung.

Olivenbaum und Sonnenaufgang
© Pixabay

"He's Alive": Beim Katholikentag 2008 in Osnabrück rockte Ben Becker "Die Bibel" – und erklärte den Tausenden, die sich an einem lauen Vorsommerabend unter freiem Himmel im Schlossgarten versammelt hatten, er habe das ganze Epos im Grunde nur aufgeführt, um diesen Song singen zu können, der den fulminanten Abschluss bildete: "He's Alive". Die Country-Ikone Dolly Parton hat das Lied zu einem Welthit gemacht, Don Francesco, ein Singer-Songwriter aus Louisville, Kentucky, hatte es Mitte der Siebziger geschrieben; 1980 hat die amerikanische Gospel Music Association das Lied zum "Song of the Year" gekürt.

Es erzählt die Geschichte der Osternacht, aus der Perspektive des Petrus. Das Johannesevangelium steht Pate. Eine schlaflose Nacht geht zu Ende, voller Unruhe und Angst vor den römischen Soldaten. Noch ist es halb dunkel, als Maria Magdalena an die Tür klopft: Der Stein ist weggerollt, das Grab ist leer, der Leichnam fort. Maria ist sicher: Jemand hat ihn fortgeschafft.

Die Osterevangelien sind von erfrischendem Realismus: Nichts scheint den Jüngern unwahrscheinlicher zu sein als die Auferstehung.

Johannes und Petrus laufen zum Garten, in dem das Grab liegt. Tatsächlich ist es leer. Nur die Leinenbinden sind noch zu sehen, in die Joseph von Arimathäa und Nikodemus den toten Körper Jesu gewickelt hatten. Johannes glaubt an ein Wunder. Aber Petrus ist ratlos. Zurück im Haus überfällt ihn die Erinnerung: nicht nur an die Kreuzigung und an den Tod Jesu, sondern auch an seinen eigenen Verrat. Er hatte ihm hoch und heilig die Treue versprochen, aber dreimal hat er Jesus verleugnet.

Die Osterevangelien sind von erfrischendem Realismus: Nichts scheint den Jüngern unwahrscheinlicher zu sein als die Auferstehung. Maria Magdalena denkt an einen Leichendiebstahl; später glaubt sie eher, den Gärtner zu sehen, als Jesus, der sich ihr zeigt. Nach dem Lukasevangelium halten die zwölf Apostel den Auferstandenen für einen Geist. Wie die moderne Religionskritik denken sie, sich einer Illusion hingegeben, aber nicht, eine Offenbarung empfangen zu haben.

Die Auferstehungsbekenntnisse, die das Neue Testament seit Anbeginn sammelt, halten in einer einfachen, klaren, durch und durch positiven Sprache das Ergebnis einer dramatischen Auseinandersetzung fest: "Er ist auferweckt worden am dritten Tage gemäß den Schriften" (1 Kor 15,5), so zitiert der Apostel Paulus das Credo der Urgemeinde.

Das erste Wort einer neuen Zeit

Die Osterevangelien hingegen erzählen, wie es zu dieser Einsicht gekommen ist. Sie sind vom Auferstehungsglauben geprägt und beschreiben, wie er entstanden ist. Sie werden von rückwärts erzählt, aber von vorwärts erschlossen. Sie zeigen, wie unglaublich gut die Osterbotschaft ist. Sie machen die Zweifel deutlich, die bis heute Menschen befallen, wenn sie die Geschichte hören: weil sie nicht glauben können, dass Gott Leben aus dem Tod schafft. Dieser Zweifel bricht in den Herzen all derer auf, die das Evangelium der Auferstehung ganz am Anfang verkündet haben: sowohl bei Maria Magdalena, der apostola apostolorum, wie Hieronymus sie tituliert hat, als auch bei Petrus, der nach der Apostelgeschichte als Erster den Mut gefasst hat, öffentlich die Auferstehung des Gekreuzigten zu verkünden (Apg 2,14-36).

Die Zweifel sind nicht ein für alle Mal vorbei, wenn die Stunde der wahren Erkenntnis gekommen ist: in der Begegnung mit dem Auferstandenen selbst. Sie begleiten den Glauben bis heute. Sie werden im Evangelium nicht verdrängt, sondern offengelegt. Aber sie haben nicht das letzte Wort. Das letzte Wort hat Gott: Er ist das erste Wort einer neuen Zeit. Die Engel im Grab kündigen es an – Jesus spricht es aus. Maria Magdalena redet er nach dem Johannesevangelium mit ihrem Namen an – und alles wird ihr klar. Den Jüngern, die aus Angst die Türen verrammelt haben, spricht er zu: "Der Friede sei mit Euch!" Dem ungläubigen Thomas, der die Wundmale berühren will, sagt er: "Streck deine Finger aus!"

Im Johannesevangelium braucht es einen Ortswechsel und eine weitere Erscheinung, mit dem wunderbaren Fischfang am See Genezareth, bis für Petrus die Stunde der Wahrheit schlägt. Dreimal fragt Jesus ihn: "Liebst du mich?" – so wie Petrus dreimal Jesus verleugnet hat. Dreimal bekennt ihm Petrus seine Liebe, und dreifach setzt Jesus ihn als Hirten seiner Herde ein: "Weide meine Lämmer" – "Weide meine Schafe".

Im Song von Don Francesco und Dolly Parton, den Ben Becker als krönenden Abschluss der gesamten biblischen Botschaft performt hat, wird die österliche Umkehr des Petrus verdichtet. Der ebenso provokante wie verletzliche Schauspieler ist 2015 mit "Ich, Judas" auf Tournee gegangen. Vielleicht hat ihn am Petrus-Song diese Seite der Ostergeschichte besonders berührt. Sie führt aus der Osternacht in den Ostertag. Es ist eine fiktive Szene, die im Lied gestaltet wird. Sie ist weder im Neuen Testament, noch in den antiken Apokryphen überliefert, aber sie bringt zum Ausdruck, wie sich Menschen heute eine ideale Offenbarung vorstellen: Duft und Licht erfüllen den Raum, in dem Petrus gegrübelt hat. Jesus tritt mit weit ausgebreiteten Armen vor ihn. Petrus sinkt auf die Knie. Aber Jesus richtet ihn auf. So können sie auf Augenhöhe miteinander wieder in Verbindung treten: Jesus voller Liebe, Petrus nicht mehr voller Angst, sondern voller Freude, Frieden gefunden zu haben. Es braucht kein Wort der Reue, es braucht kein Wort der Vergebung: Die Szene spricht für sich selbst.

In vielen Versionen des Osterliedes singt die Sängerin oder der Sänger den Schlussrefrain nicht allein, sondern zusammen mit einem Chor – weil alle Petrus sind: Alle sind schuldig geworden, aber alle werden im Glauben Vergebung erfahren.

Der Schluss des Liedes bringt den Osterjubel zum Ausdruck, den im Brustton der Überzeugung nur einer wie Petrus singen kann: Er hat dem Tod ins Auge geschaut, auch im eigenen Herzen. Er hat sich der Begegnung mit dem, den er verleugnet hat, nicht verschlossen, sondern geöffnet. Er hat Hilfe bei Gott gefunden, in der Liebe Jesu. Deshalb weiß er seine Schuld vergeben: "He's alive and I'm forgiven".

In vielen Versionen des Osterliedes singt die Sängerin oder der Sänger den Schlussrefrain nicht allein, sondern zusammen mit einem Chor – weil alle Petrus sind: Alle sind schuldig geworden, aber alle werden im Glauben Vergebung erfahren. Ihnen öffnet sich die Himmelstür. Petrus, so das volkstümliche Bild, hat die Schlüssel dafür. Die letzten Zeilen des Songs sind sein Bekenntnis: "He's alive and I'm forgiven. Heavens gates are open wide. He's alive."

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