Papst Franziskus will auch nach seinem Tod an die Peripherien gehen. Das hat er Mitte Dezember kurz vor seinem 87. Geburtstag einen mexikanischen Radio-Sender wissen lassen. Er wolle nicht wie seine Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI. zentral in der vatikanischen Petersbasilika bestattet werden, sondern wünsche, in einer betont schlichten Zeremonie ein Grab in der Basilika Santa Maria Maggiore zu erhalten. Die marianische Frömmigkeit Jorge Mario Bergoglios, der oft vor Auslandsreisen die Marien-Ikone der Basilika zum Gebet aufsucht, kommt darin ebenso zum Ausdruck wie seine Solidarität mit den Ärmsten der Armen.
Bemerkenswert ist allerdings, dass in der Basilika Santa Maggiore, einer der vier Hauptkirchen Roms, bereits Päpste des 16. und 17. Jahrhunderts bestattet liegen, deren Wirken im Zeitalter der Gegenreformation in deutlichem Kontrast zum spätmodernen Pontifikat von Franziskus steht. Neben den epochenbedingten Differenzen treten hier unterschiedliche, ja geradezu gegensätzliche Profile in der Wahrnehmung des Petrusdienstes hervor.
So hat in Santa Maria Maggiore der heilige Papst Pius V. (1566–1572) seine letzte Ruhestätte gefunden. Als Dominikanertheologe und späterer Großinquisitor legte er auf die Klarheit der Lehre wert und betonte die katholische Identität. Entschlossen hat er die durch das Konzil von Trient in die Wege geleiteten Reformen umgesetzt, um den Einfluss der Reformation zurückzudrängen. Zur Verbreitung des rechten Glaubens hat er den Römischen Katechismus (1563) veröffentlicht, zur Förderung des Gebets das Brevier (1568) und zur Vereinheitlichung der Messliturgie das erneuerte Missale Romanum (1570). Letzteres bildet für die Liebhaber der alten Messe bis heute, wenn auch leicht modifiziert, die Grundlage für die Feier des eucharistischen Opfers.
In seiner Bulle "Quo primum" vom 14. Juli 1570 setzte Pius V. die sogenannte tridentinische Messe ausdrücklich "für immer" ein und verbot, sie je zu revidieren oder zu verändern. Diese pontifikale Kontinuitätsabsicherung war allerdings nicht von Dauer. Paul VI. hielt sich nicht an das Revisionsverbot, als er nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1970 die erneuerte Liturgie einführte und den weiteren Gebrauch der alten, tridentinischen Form untersagte. Die Verwendung der Muttersprache und die Änderung der Zelebrationsrichtung zum Volk hin sind für die Liturgie nach dem Konzil kennzeichnend geworden. Auch Papst Franziskus hat den Gebrauch der alten liturgischen Bücher rigide zurückgestutzt, nachdem sein Vorgänger Benedikt XVI. den anhaltenden Streit um die Liturgiereform 2007 dadurch zu befrieden gesucht hatte, dass er die alten Riten weitgehend zugelassen hatte.
Pius V. war der Papst der Seeschlacht von Lepanto, Franziskus trifft sich mit dem Großscheich von Al-Azhar
Auch in der Haltung gegenüber Judentum und Islam gibt es epochenbedingte Differenzen. Pius V. war ein erklärter Feind der Juden und bildete eine heilige Allianz gegen die Türken, der Sieg über das Osmanische Reich in der Seeschlacht von Lepanto 1571 fiel in die Zeit seines Pontifikats. Franziskus hingegen hat vielfältige Maßnahmen für den Dialog zwischen den Religionen gesetzt, um in der globalen Welt Verständigung zu fördern und das semantische Dynamit von religiösen Wahrheitsansprüchen zu entschärfen – darunter die Abu-Dhabi-Erklärung von 2019 "über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt" – mit dem Großscheich der Al-Azhar, Ahmad al-Tayyib, dessen Einrichtung zuletzt allerdings das Massaker der Hamas vom 7. Oktober als einen Akt der politischen Befreiung begrüßt hat.
Aber damit nicht genug, auch hat in der Basilika Santa Maria Maggiore der sittenstrenge Papst Sixtus V. (1585–1590) seine Grablege gefunden. Er belegte nicht nur Ehebruch und Homosexualität mit Exkommunikation und Todesstrafe, sondern machte als Herrscher des Kirchenstaats auch extensiv von der Möglichkeit von Hinrichtungen Gebrauch. Das trug ihm den Beinamen "der eiserne Papst" ein. Um die Kriminalität in der Region um Rom zu bekämpfen, ließ er hunderte Banditen am Galgen hängen. Ihre Leichen wurden an der Engelsburg zur Abschreckung des Volkes öffentlich ausgestellt.
Papst Franziskus, der die Barmherzigkeit zum Leitbegriff seines Pontifikats gemacht hat und für die Vision einer inklusiven Kirche wirbt, hat moralischen Rigorismus und gesetzliche Strenge wiederholt gegeißelt. In seinem Schreiben "Amoris laetitia" hat er in einer Anmerkung wiederverheiratet Geschiedenen die Tür zu den Sakramenten einen Spalt weit geöffnet, ohne im Haupttext die offizielle Lehre zu verändern. Auch hat er soeben für Menschen in "irregulären" Beziehungen und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften einen speziellen Segen ermöglicht, dessen Kautelen für anhaltende Debatten sorgen.
Dass die "für immer" geltende Moral nicht "für immer" gelten muss, hat er demonstriert, als er den Katechismus der Katholischen Kirche revidiert und jede Form von Todesstrafe als sittlich verwerflich verurteilt hat.
In der Einfachheit des Lebensstils, aber auch in der Absicht, die römischen Kurie zu reformieren, könnte man Sixtus V. durchaus als Vorläufer von Franziskus bezeichnen. Doch durch massive Steuererhöhungen zu Lasten der armen Bevölkerung und durch fiskalisches Geschick brachte der Pontifex des 16. Jahrhunderts den Heiligen Stuhl wieder zu erheblichem Reichtum – das franziskanische Ideal einer armen Kirche für die Armen heute sieht anders aus.
Die Verbindung der Gegensätze
Im Elefantengedächtnis der Kirche kann vieles, auch Disparates, abgelegt werden. Die in päpstlichen Schreiben gern geltend gemachte Ewigkeitsklausel "für immer" scheitert oft. Das heißt nicht, dass alles im historistischen Strudel verflüssigt würde, was Päpste sagen und lehren. In jedem Fall rückt die Ankündigung von Papst Franziskus, in der Basilika Santa Maria Maggiore bestattet werden zu wollen, Diskontinuitäten in die Aufmerksamkeit, die – von Kirchenhistorikern abgesehen – wohl kaum noch jemandem bewusst waren. So finden Päpste nebeneinander ihre Grablege, die für unterschiedliche, zum Teil gegensätzliche Programme stehen.
Wenn der Inaugurator der tridentinischen Messe neben deren Totengräber zu liegen kommt, dann ist das schon ein denkwürdiges Zeichen, das nach der Konsistenz der katholischen Tradition fragen lässt.
Gewiss, manche Gegensätze lassen sich durch historische Kontextualisierung entschärfen. Das Zeitalter der Konfessionalisierung setzte auf Unterscheidungsmerkmale und Abgrenzungsstrategien, die globalisierte Moderne setzt auf universale Geschwisterlichkeit und einladende Gesten. Dass auch die Vision einer inklusiven Kirche nicht ohne Exklusionspraktiken auskommt, das werden vielleicht erst spätere Kommentatoren herausstellen.
Wenn der Inaugurator der tridentinischen Messe neben deren Totengräber zu liegen kommt, wenn Sixtus V., der Befürworter und extensive Vollstrecker, neben Franziskus, dem entschiedenen Gegner der Todesstrafe, bestattet wird, wenn der "eiserne" und der "barmherzige" Pontifex in Santa Maria Maggiore ihre letzte Ruhestätte finden, dann ist das schon ein denkwürdiges Zeichen, das nach der Konsistenz der katholischen Tradition fragen lässt.
Gibt es im diskontinuierlichen Gang der Überlieferung Kontinuität im Wirken der Päpste – oder werden die Brüche nur verschleiert, indem Anstößiges stillheimlich dem Vergessen überantwortet oder Neuerungen durch kreative Geschichtsdeutungen als traditionskonform ausgegeben werden, um den Schein der Kontinuität zu wahren?
Dass Papst Franziskus nun ausgerechnet neben Pius V. und Sixtus V. bestattet werden wird, lässt an Carl Schmitt denken, der einmal von der complexio oppositorum (Verbindung der Gegensätze) als Merkmal des Katholischen gesprochen hat.