Keine paritätische DoppelspitzePräfektin und Pro-Präfekt im Ordensdikasterium

Die Ernennung einer Ordensschwester zur Präfektin des Ordensdikasteriums ist zu begrüßen, wirft aber zahlreiche theologische und kirchenrechtliche Fragen auf. Dass der Papst zugleich einen Kardinal als Pro-Präfekten ernannt hat, heißt nicht, dass die Kurienbehörde fortan von einer "Doppelspitze" geleitet wird. Auch handelt es sich nicht um einen Freibrief für Diözesanbischöfe, neue Leitungsstrukturen einzuführen, die von der kirchlichen Rechtsordnung abweichen.

Ordensschwester Simona Brambilla, Präfektin des Dikasteriums für Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens
Schwester Simona Brambilla ist die neue Präfektin des Dikasteriums für Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens.© Paolo Galosi/Romano Siciliani/KNA

Am 6. Januar 2025, dem Hochfest der Erscheinung des Herrn, hat Papst Franziskus die bisherige Sekretärin des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, Schwester Simona Brambilla M.C., zur Präfektin dieses Dikasteriums ernannt. Sie gehört seit 1988 dem Institut der Consolata-Missionarinnen an, arbeitete unter anderem mit Jugendlichen in Mosambik, wurde 2008 an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Psychologie promoviert und war von 2011 bis Mai 2023 Generalsuperiorin ihrer Ordensgemeinschaft. Schwester Brambilla gehörte seit 2019 als Mitglied dem Dikasterium für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens an, hatte seit 2023 als Sekretärin den früher Klerikern vorbehaltenen zweithöchsten Posten in diesem Dikasterium inne und wurde wenige Wochen vor ihrer Ernennung zur Präfektin von Papst Franziskus in den Ordentlichen Rat der Bischofssynode berufen.

Mit der Ernennung von Schwester Brambilla zur Präfektin fungiert erstmals eine Frau als Leiterin eines Dikasteriums. Sie folgt in dieser Funktion Kardinal João Braz de Aviz. Mit Paolo Ruffini als dem Leiter des Dikasteriums für die Kommunikation und Maximino Caballero Ledo, dem Leiter des Sekretariats für Wirtschaft gibt es zwei weitere Präfekten ohne kirchliches Weiheamt. Zudem gibt es in verschiedenen Dikasterien und zentralen Einrichtungen des Vatikans weitere Frauen auf Spitzenpositionen, die bisher aufgrund von Rechtsvorschriften oder nur aufgrund langjähriger Gewohnheit Kardinälen und Bischöfen oder zumindest anderen Klerikern vorbehalten waren.

Mit der Ernennung einer Ordensfrau zur Präfektin des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens bringt Papst Franziskus in besonderer Weise den Aspekt der Professionalität zur Geltung.

Der kirchenrechtliche Status der neuen Präfektin des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens ist aufgrund der geltenden Apostolischen Konstitution, d.h. des päpstlichen Gesetzes über die Römische Kurie "Praedicate Evangelium" (PE) eindeutig definiert: Als Präfektin leitet und vertritt sie gemäß Art. 14 § 1 PE das Dikasterium; sie steht also an dessen Spitze. Sie wird gemäß Art 17 § 1 PE vom Papst für eine Amtszeit von fünf Jahren ernannt, scheidet bei Eintritt der Sedisvakanz des Apostolischen Stuhls nach Art. 18 § 1 PE ohne Weiteres aus ihrem Amt aus, wird gemäß Art. 24 PE vom Papst persönlich in der von ihm festgelegten Form empfangen, um regelmäßig und häufig über die laufenden Angelegenheiten, Tätigkeiten und Projekte zu berichten und nimmt gemeinsam mit den übrigen Leitern der kurialen Einrichtungen gemäß Nr. II 9 PE und Art. 34 PE an den interdikasteriellen Versammlungen teil.

Mit der Ernennung einer Ordensfrau zur Präfektin des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens bringt Papst Franziskus in besonderer Weise den Aspekt der Professionalität im Sinne von Art. 7 § 1 PE zur Geltung. Dem entsprechend stellt Matthias Pulte zutreffend fest, es sei gut, dass künftig im Vatikan eine Ordensfrau für Ordensthemen zuständig sei. Ihre fachspezifische Perspektive habe nämlich ein Weltkleriker nicht zwingend.

Den Weg zu dieser Ernennung hat Papst Franziskus mit Nr. II 5 PE geebnet. Dort legt er den grundsätzlich stellvertretenden Charakter der Römischen Kurie fest und normiert: "Jede kuriale Einrichtung erfüllt ihren eigenen Auftrag kraft der Vollmacht, die sie vom Papst erhalten hat, in dessen Namen sie mit stellvertretender Vollmacht in der Ausübung des primatialen Amtes handelt. Aus diesem Grund kann jeder Gläubige einem Dikasterium oder einem Organ abhängig von deren besonderer Zuständigkeit, Leitungsgewalt und Aufgabe vorstehen." Mit anderen Worten: Die einzelnen Kurienorgane und deren Leiterinnen oder Leiter handeln aufgrund des ihnen im Sinn des c. 145 CIC übertragenen Amtes sowie nach Maßgabe des c. 360 CIC im Namen des Papstes mit stellvertretender, von ihm erteilter Vollmacht.

Die grundsätzliche Befähigung von Laien dazu ergibt sich aus c. 228 § 1 CIC. Auch c. 129 § 2 CIC ermöglicht die Mitwirkung von Laien bei der Ausübung von Leitungsvollmacht nach Maßgabe der geltenden Rechtsvorschriften, ohne dass sie dadurch zu deren originären Trägern würden. Der Begriff "mitwirken" wird im geltenden CIC sowohl für das Zusammenwirken gleichgestellter Personen als auch für die unterstützende Tätigkeit gegenüber höheren Amtsträgern verwendet.

Im Unterschied zur geltenden Gesetzgebung über die Römische Kurie setzt die Ordnung und Geschäftsordnung der Kurie, das "Regolamento Generale della Curia Romana" (RGCR) vom 30. April 1999, auf das Art. 37 der bisherigen Kurienordnung "Pastor Bonus" (PB) verweist und auf das auch Art. 43 § 1 der neuen Kurienordnung "Praedicate Evangelium" offenkundig Bezug nimmt, ohne dass diese Ordnung und Geschäftsordnung der Kurie gemäß PE überarbeitet worden wären, immer noch einen Kardinal als Präfekten beziehungsweise als Präsidenten oder einen Erzbischof als Präsidenten eines jeden Dikasteriums voraus. Schon aufgrund von Nr. II 5 PE liegt die Revisionsbedürftigkeit des "Regolamento" auf der Hand. Sie unterstreicht aber auf ihre Weise das grundlegend Neue, das mit der Ernennung von Schwester Brambilla zur Präfektin gegeben ist. Das Neue und Ungewohnte an dieser Ernennung wird unter anderem auch daraus ersichtlich, dass sie von Martin Grichting, einem Schweizer Kirchenrechtler, als Verrat des Papstes am Zweiten Vatikanischen Konzil gewertet wird.

Der Pro-Präfekt: Amt ohne Aufgaben- und Kompetenzbeschreibung

Gleichzeitig mit der Ernennung der Präfektin wurde die Ernennung des spanischen Kardinals Ángel Fernández Artime zum Pro-Präfekten des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens bekanntgegeben; dieser war bislang Generaloberer der Salesianer Don Boscos. Der Wortlaut des vom vatikanischen Pressesaal herausgegebenen "Bollettino" vom 6. Januar 2025 ergibt keinen zwingenden Hinweis auf die gegenseitige Zuordnung dieser beiden Spitzenämter des genannten Dikasteriums. Das Amt eines Pro-Präfekten ist in der geltenden Gesetzgebung für die Römische Kurie gemäß Art. 54 PE nur beim Dikasterium für die Evangelisierung vorgesehen. Demnach steht dieses Dikasterium unter dem direkten Vorsitz des Papstes, der in der organischen Übersicht der Dikasterien als "Präfekt" ausgewiesen wird, während jede der beiden Sektionen des Dikasteriums im Namen und unter der Aufsicht des Papstes von einem Kardinal beziehungsweise einem Erzbischof als Pro-Präfekten geleitet wird. Ohne dass deren Aufgabe und Funktion rechtlich näher umschrieben wird, werden diese Pro-Präfekten als Stellvertreter erkennbar, die Funktionen des Präfekten übernehmen, wo dieser sie im täglichen Geschäft der Kurie nicht ausübt.

Alle oben genannten in PE einzeln normierten Leitungsbefugnisse werden ausschließlich dem jeweiligen Präfekten und nicht etwa auch einem Pro-Präfekten zugeordnet.

Schon aufgrund dieser spärlichen rechtlichen Hinweise bleibt festzuhalten, dass ein Pro-Präfekt weder Präfekt noch ein paritätisch mitleitender Präfekt ist; er ist vielmehr dem Präfekten untergeordnet. Alle oben genannten in PE einzeln normierten Leitungsbefugnisse werden ausschließlich dem jeweiligen Präfekten und nicht etwa auch einem Pro-Präfekten zugeordnet.

Bis zum Inkrafttreten von PB und RGCR gab es in der Römischen Kurie die ordentliche Praxis, dass der Papst als Leiter eines einzelnen Dikasteriums einen Pro-Präfekten ernennen konnte. Als Pro-Präfekten wurden solche Leiter von Dikasterien bezeichnet, die zum Zeitpunkt ihrer Ernennung noch nicht Kardinäle waren. Sobald sie aber in einem Konsistorium die Würde eines Kardinals erhalten hatten, waren sie nicht mehr Pro-Präfekt, sondern ordentlicher Präfekt oder Kardinalpräfekt des ihnen zugewiesenen Dikasteriums.

Der zeitgleich mit Schwester Brambilla ernannte Pro-Präfekt Kardinal Ángel Fernández Artime ist weder ein Pro-Präfekt im Sinne des Art. 54 PE noch ist er ein Pro-Präfekt im Sinne des vorstehenden Hinweises auf die frühere kuriale Praxis. Weil seine Ernennung kommentarlos erfolgte und weil die geltende Kuriengesetzgebung keine einschlägigen Normen enthält, muss Kardinal Artime als ein Pro-Präfekt eigener – und nicht rechtlich normierter – Art betrachtet werden. Denn was ein Pro-Präfekt ist, wo er in der Hierarchie eines Dikasteriums einzuordnen ist und was seine genauen Aufgaben sind, das ist nirgends definiert.

Außer dem Papst weiß wohl kaum jemand, welche Aufgaben und Kompetenzen dieses Amt tatsächlich umfasst und wie es im Verhältnis zum Amt der Präfektin einzuordnen ist. Jedenfalls steht fest, dass Kardinal Artime, was im Sinne der geltenden Kuriengesetzgebung durchaus möglich und eventuell auch sinnvoll gewesen wäre, nicht zum Sekretär des Dikasteriums ernannt worden ist; damit wären seine Aufgaben und seine Stellung innerhalb des Dikasteriums zweifelsfrei geregelt worden.

Ansonsten besteht auch die Möglichkeit, dass der Papst völlig frei entschieden hat und von der geltenden Kurienordnung abgewichen ist; er ist nämlich an seine eigenen Gesetze nicht gebunden.

Die Ernennung eines Pro-Präfekten eigener Art stellt eine Abweichung von der ordentlichen Struktur der Dikasterien dar. Gemäß Art. 13 § 2 PE kann eine kuriale Einrichtung aufgrund ihrer besonderen Natur oder eines speziellen Gesetzes eine Struktur haben, die sich von der in Art. 13 § 1 PE festgelegten ordentlichen Struktur unterscheidet; das ist offenkundig beim Dikasterium für die Evangelisierung der Fall. Im vorliegenden Fall ist ein spezielles Gesetz nicht erkennbar; allenfalls kann die Zuständigkeit für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens eine "besondere Natur" des Dikasteriums begründen. Ansonsten besteht auch die Möglichkeit, dass der Papst völlig frei entschieden hat und von der geltenden Kurienordnung abgewichen ist; er ist nämlich an seine eigenen Gesetze nicht gebunden.

Theologische und kirchenrechtliche Fragen

Mit der Ernennung von Schwester Brambilla hat eine aufgrund von Nr. II 5 PE zunächst nur theoretisch bestehende Möglichkeit konkrete Gestalt gewonnen und berechtigte theologische und kirchenrechtliche Fragen allgemeiner Art aufgeworfen.

Weicht der Papst zumindest teilweise von der auch kirchenrechtlich normierten Sacra-potestas-Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils ab, indem er einen geweihten Stellvertreter für eine Präfektin ernennt, damit an die Weihe geknüpfte Handlungen rechtmäßig ausgeübt werden können? Welche Handlungen wären das im Einzelnen? Oder versteht der Papst die Kurie bloß als ein instrumentelles Werkzeug, das alles im Namen und im Auftrag des Papstes tut, so dass es für diese rein ausführende Gewalt gar keiner aus der Weihe resultierenden Vollmacht mehr bedürfte? Oder geht der Papst aufgrund des stellvertretenden Charakters und des Dienstcharakters der Römischen Kurie davon aus, dass diese beziehungsweise deren Verantwortliche gar keine Träger von Leitungsgewalt in der Kirche sind? Was würde das aber für die Tätigkeit der Kurie insgesamt und beispielsweise für den durch die Kurie zu garantierenden Rechtsschutz der Gläubigen bedeuten?

Bindet der Papst die Leitungsgewalt in der Kirche, abweichend vom Zweiten Vatikanischen Konzil und von der geltenden kirchlichen Rechtsordnung, anstatt an das Sakrament der Weihe lediglich an eine kanonische Sendung, die rechtmäßig jeder geeignete Gläubige erhalten kann?

Oder bindet er die Leitungsgewalt in der Kirche, abweichend vom Zweiten Vatikanischen Konzil und von der geltenden kirchlichen Rechtsordnung, anstatt an das Sakrament der Weihe lediglich an eine kanonische Sendung, die rechtmäßig jeder geeignete Gläubige erhalten kann? Und konkret auf das für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens und dessen Aufgaben und Zuständigkeiten gemäß Art. 121-127 PE bezogen: Sind beispielsweise Entlassungen von Mitgliedern aus Orden, Entlassungen von Ordensleuten aus dem Klerikerstand, die Errichtung von Orden päpstlichen Rechts und die Aufhebung aller Orden, auch solcher diözesanen Rechts, Hoheitsakte, die die Weihegewalt erfordern, oder sind das Hoheitsakte, die auch die Präfektin in Ausübung einer päpstlichen Delegation ausführen könnte?

Alle diese und vermutlich viele weitere theologische und kirchenrechtliche Fragen müssen offenbleiben, weil sich Papst Franziskus dazu nicht erklärt hat. Ob und inwieweit dieses Gebaren mit dem grundsätzlichen Auftrag des Petrusamtes, die Schwestern und Brüder zu stärken (vgl. Lk 22, 32), kompatibel ist, wird ebenfalls nur der Papst beurteilen können.

Kein Freibrief für Diözesanbischöfe

Für den Moment bleibt jedenfalls in Hinblick auf den kirchenrechtlichen Status der neuen Präfektin und des Pro-Präfekten des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens festzuhalten: Schwester Brambilla ist Präfektin und als solche Leiterin sowie rechtliche Vertreterin des Dikasteriums. Kardinal Artime ist ein Pro-Präfekt eigener Art und somit weder Präfekt noch ein paritätischer oder gleichberechtigter Mit-Präfekt; er ist der Präfektin in einer rechtlich nicht definierten Weise bei- und untergeordnet. Wünschenswert ist eine rechtlich-verbindliche und nicht nur eine aus einer Gewohnheit erwachsende pragmatische Klärung sowohl der Aufgaben und Kompetenzen wie auch der gegenseitigen Zuordnung beider Funktionen; dazu kann und muss die Kirchenrechtswissenschaft einen wichtigen Beitrag leisten.

Sosehr man die Ernennung der ersten Präfektin der Römischen Kurie als ein wichtiges Signal an die Weltkirche sowie insbesondere an die engagierten Frauen in der Kirche werten kann, sosehr steht auch fest, dass diese Ernennung keinen Freibrief für nachgeordnete kirchliche Autoritäten wie Diözesanbischöfe oder Bischofskonferenzen ausstellt, von der geltenden kirchlichen Rechtsordnung abzuweichen und beispielsweise paritätisch besetzte Ämter der Kirchenleitung etwa in Pfarreien und Diözesen zu etablieren. Denn anders als der Papst sind diese an das kirchliche Recht gebunden.

COMMUNIO im Abo

COMMUNIO will die orientierende Kraft des Glaubens aus den Quellen von Schrift und Tradition für die Gegenwart erschließen sowie die Vielfalt, Schönheit und Tiefe christlichen Denkens und Fühlens zum Leuchten bringen.

Zum Kennenlernen: 1 Ausgabe gratis

Jetzt testen