In der katholischen Kirche herrscht Priestermangel. Die Priester fehlen aber nicht nur an den Altären, auf den Kanzeln und an den Sterbebetten. Sie fehlen auch an den Universitäten. Von den 17 Männern und Frauen, die laut unserer Übersicht (und je nachdem wie man zählt) im deutschen Sprachraum im Jahr 2023 erstmals zum Theologieprofessor bzw. zur Theologieprofessorin berufen wurden, waren drei Priester: Thomas Hanke, Priester des Bistums Hildesheim, wurde zum Professor für "Philosophische Grundfragen der Theologie" in Münster berufen. Jean-Olivier Nke Ongono aus dem Bistum Obala in Kamerun erhielt einen Posten als Juniorprofessor für "Globale Kirchenleitung" in München. Und Yves Kingata aus dem Bistum Kenge im Kongo ist seit dem vergangenen Jahr Professor für Kirchenrecht in Regensburg. Drei von 17: das entspricht einem Priesteranteil bei den Erstberufungen von rund 18 Prozent.
Man mag das für unerheblich halten. Die Messe kann nur ein geweihter Priester halten, aber Theologie unterrichten und theologische Forschung betreiben, das können selbstverständlich auch Katholiken ohne Priesterweihe. Laut einer Studie zum Nachwuchs in der katholischen Theologie waren 2021 noch 25 Prozent der Theologieprofessoren an staatlichen Fakultäten in Deutschland Priester. Die Quote bei den Neuberufungen zeigt, dass der Anteil tendenziell weiter zurückgeht. Dass Nichtpriester als Professor Theologie unterrichten, ist also inzwischen die Regel. Dabei stellt es aus Perspektive des kirchlichen Hochschulrechtes eigentlich die Ausnahme dar.
"Angemessene Anzahl"
Denn laut den kirchlichen Vorgaben sollen "in der Regel nur Priester als Theologieprofessoren bestellt werden". Das Thema ist vertrackt; in Broschüren der Deutschen Bischofskonferenz (hier und hier) lassen sich die einschlägigen Vorschriften nachlesen. Die Maßgabe, dass "in der Regel nur Priester" berufen werden sollen, stammt aus einer über fünfzig Jahre alten Norm aus den Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil – der "Ratio fundamentalis" zu Priesterausbildung von 1970 (VI, 33). Die Vorschrift wurde 1983 ausdrücklich in das "Dekret über die Katholisch-Theologischen Fakultäten in den Staatlichen Universitäten im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" der vatikanischen Bildungskongregation übernommen (IV, 9) und gilt seitdem unverändert. Dabei wird die Formulierung "in der Regel" (comuniter) so ausgelegt, dass stets die Mehrheit der Professoren Priester sein soll. Mit einer durchschnittlichen "Priesterquote" von 25 Prozent ist man davon in Deutschland aber inzwischen weit entfernt.
Mit der Apostolischen Konstitution "Veritatis Gaudium" stellte Papst Franziskus 2018 das kirchliche Hochschulrecht indessen auf neue Füße – und machte neue Vorgaben zum Priesteranteil: "Die Theologische Fakultät hat die besondere Aufgabe, die wissenschaftliche theologische Ausbildung jener zu gewährleisten, die auf das Priestertum zugehen sowie derjenigen, die sich auf die Übernahme von besonderen kirchlichen Aufgaben vorbereiten. Deshalb ist es notwendig, dass eine angemessene Anzahl der Dozenten Priester sind." Damit ist Rom von der Maßgabe der Siebzigerjahre abgerückt: Die Formulierung "angemessene Anzahl" lässt deutlich mehr Spielraum. Allerdings ist "Veritatis Gaudium" in Deutschland bislang nicht umgesetzt. Es fehlt ein "Akkommodationsdekret", das die kirchlichen Regeln mit den hochschulrechtlichen Vorgaben in Deutschland zusammenbringt. So lange gelten hierzulande noch die bisherigen Regeln.
Kein Entgegenkommen?
Besonders niedrig ist der Anteil an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Regensburg. Mit Yves Kingata ist derzeit nur eine von 13 Professuren mit einem Priester besetzt. Das ist eine Quote von 7,5 Prozent, deutlich niedriger also als der deutsche Durchschnitt. Ob einer von 13 eine "angemessene Anzahl" ist?
Gleichzeitig fällt auf, dass in Regensburg mehrere Professuren zum Teil bereits seit Jahren vakant sind. Für das Fach "Sozialethik" fanden dort die Probevorträge am 15. und 16. Juli 2020 statt, für "Fundamentaltheologie" am 27. und 28. Januar 2022 und für "Mittlere und neue Kirchengeschichte" am 25. Januar 2023. Von COMMUNIO nach den Ursachen befragt, antwortet ein Sprecher der Universität: "Bei den angefragten Ausschreibungen warten wir darauf, dass das Nihil Obstat vorliegt".
"Nihil Obstat" – das ist die kirchliche Unbedenklichkeitserklärung, die der Ortsbischof für einen Kandidaten ausstellen muss: Der Bischof bestätigt damit die Rechtgläubigkeit und den einwandfreien Lebenswandel des Kandidaten. Bei Personen, die neu zum Professor bestellt werden, also nicht einfach nur die Universität wechseln, ist dieser Prozess recht aufwendig, weil auch der Heilige Stuhl sein Placet geben muss. Geregelt wird die genaue Vorgehensweise in den "Normen zur Erteilung des Nihil obstat bei der Berufung von Professoren der Katholischen Theologie an den staatlichen Universitäten im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" der Bildungskongregation von 2010.
Bischof Rudolf Voderholzer mahnt die Fakultät seit Jahren, ihre Priesterquote zu verbessern. Weil die Fakultät aber aus seiner Sicht darauf nicht eingeht, stellt er sich quer und führt die Nihil-Obstat-Verfahren nicht durch.
Das Verfahren wird von vielen als intransparent kritisiert; die Theologin Regina Elsner hat es gerade als eine Form kirchlichen Machtmissbrauchs bezeichnet. Aber in Regensburg liegt es nicht am umständlichen Verfahren selbst, dass die drei Professuren schon seit Längerem vakant sind. Der Grund ist ein anderer: Bischof Rudolf Voderholzer mahnt die Fakultät seit Jahren, ihre Priesterquote zu verbessern. Weil die Fakultät aber aus seiner Sicht darauf nicht eingeht, stellt er sich quer und führt die Nihil-Obstat-Verfahren nicht durch.
Ein Sprecher des Bistums stellt das gegenüber COMMUNIO so dar: "Das universalkirchliche Hochschulrecht [sieht] vor, dass die Dozenten an Priesterausbildungsstandorten selbst auch Priester sein sollen. In Deutschland hat man sich darauf geeinigt, dass wenigstens die Hälfte der Lehrstuhlinhaber Priester sein sollen ("Priesterquote"). In Regensburg wird diese Quote seit Jahren massiv unterschritten. Aktuell ist nur ein Lehrstuhl mit einem Priester besetzt, von insgesamt 13. Der Ortsbischof ist gegenüber Rom in dieser Sache rechenschaftspflichtig. Mehrmalige schriftliche Erklärungen des Bischofs, dass er vorerst nur noch der Berufung von Priestern zustimmen kann, blieben seit 2014 wirkungslos. Um den Betrieb der Fakultät nicht allzu sehr zu belasten, vor allem auch im Interesse der Studierenden, ist Bischof Voderholzer natürlich bereit, Zugeständnisse zu machen. So hat er der Berufung von Weltchristen auf die Lehrstühle 'Exegese des Alten Testaments' und 'Philosophische Grundsatzfragen' zugestimmt."
Der Mitteilung ist anzuhören, wie frustriert man im Regensburger Ordinariat ist. Dabei, so der Sprecher, setze man sich doch sehr für die Regensburger Theologie ein:
"Im Jahr 2020 wurde ein mehrjähriger geistlicher Prozess der DBK abgeschlossen, der sich mit der Qualitätssicherung der Priesterausbildung in Deutschland auseinandergesetzt hat. Im Januar 2021 hat sich der Ständige Rat für eine künftige Reduzierung der Priesterausbildungsstandorte ausgesprochen. Bereits am 27. Juni 2020 sagte Bischof Rudolf Voderholzer im Rahmen der Priesterweihe: ‚Für das Bistum Regensburg gilt: Wir haben, zusammen mit dem Bistum Passau und dem Studium Rudolphinum, eine relativ große und lebensfähige Lerngruppe, und so sehe ich – da bin ich mit Bischof Stefan Oster von Passau einig – keine Veranlassung, hinsichtlich der Standortfrage etwas zu ändern.‘ Das bedeutet für die Fakultät für katholische Theologie der Universität Regensburg, dass ihre Existenz als Vollfakultät konkordatsrechtlich gesichert bleibt. Wäre sie kein Priesterausbildungsstandort, könnte der Freistaat Bayern die Anzahl der Lehrstühle reduzieren oder sie sogar ganz abschaffen."
Derzeit studieren laut Auskunft des Bistums elf Regensburger und drei Passauer Priesteramtskandidaten an der Regensburger Fakultät. Acht Kandidaten – drei aus dem Bistum Regensburg und fünf aus verschiedenen Orden – studieren über den dritten Bildungsweg am "Studium Rudolphinum".
Aus Sicht des Bistums hat es mit seiner Entscheidung, die eigene Priesterausbildung in Regensburg zu belassen (und nicht etwa, wie zuletzt 2020 das Bistum Würzburg, seine Priesteramtskandidaten nach München zu schicken), zur Standortsicherung der Regensburger Fakultät beigetragen. Erwartet man im Gegenzug ein Entgegenkommen in der Frage des Priesteranteils im Professorium?
"Die sogenannte Priesterquote ist eine innerkirchliche Sollvorschrift, von der abgewichen werden kann."
Die Fakultät selbst äußert sich nur knapp zu dem Thema. Gegenüber COMMUNIO sagt Dekanin Ute Leimgruber: "Wir als Fakultät vertrauen auf die Verlässlichkeit von wissenschaftsgeleiteten Berufungsverfahren unter Einhaltung der Vorschriften des Bayerischen Hochschulinnovationsgesetzes (BayHIG) und des verfassungsrechtlich geforderten Grundsatzes der Bestenauslese."
Fast gleichlautend ist die Auskunft des zuständigen bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst. Ein Sprecher erklärt: "Berufungsverfahren müssen unter Einhaltung der Vorschriften des Bayerischen Hochschulinnovationsgesetzes (BayHIG) und des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) wissenschaftsgeleitet durchgeführt werden. (...) Für die Durchführung von Berufungsverfahren ist die jeweilige Universität im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts und Selbstergänzungsrechts des Lehrkörpers zuständig. (...) Bei Berufungen gilt für die Universitäten der verfassungsrechtlich verbürgte Grundsatz der Bestenauslese. Die sogenannte Priesterquote hingegen ist eine innerkirchliche Sollvorschrift, von der abgewichen werden kann." Das Vorgehen des Bistums will man nicht bewerten: Zu "laufenden Berufungsverfahren" könne man "keine Auskunft erteilen".
Risiko Konkurrentenklage
In den vergangenen Tagen fanden in Regensburg wieder Probevorträge statt, für die Professur "Dogmatik und Dogmengeschichte". Mehrere Priester waren eingeladen. Doch eine Berufungskommission darf nicht einfach einen Kandidaten auswählen, nur weil er Priester ist – Stichwort Bestenauslese. Auch werden im Rahmen eines Berufungsverfahrens externe Gutachten eingeholt, von denen die Berufungskommission nicht so einfach abweichen kann, wenn die Berufung rechtssicher sein soll. Trotzdem gäbe es die Möglichkeit, dem Bistum entgegenzukommen. Denn wenn ein Priester mindestens genauso geeignet oder befähigt ist, wie der beste nicht-priesterliche Konkurrent, könnte die Berufungskommission ihm den Vorzug geben und ihn auf den ersten Platz der Berufungsliste setzen.
Wenn allerdings Mitbewerber den Eindruck bekommen, dass in der Berufungskommission bei der Erstellung der Kandidatenliste etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, dann können sie Akteneinsicht verlangen und ein verwaltungsgerichtliches Verfahren – eine sogenannte Konkurrentenklage – anstrengen. Das Resultat lautet dann oft: Das Berufungsverfahren beginnt noch einmal von vorn; die Stelle bleibt lange vakant.
Dass bei Berufungsverfahren auch akademische Intrigen und Schulstreitigkeiten eine Rolle spielen können, ist jüngst wieder am Beispiel der akademischen Karriere Joseph Ratzingers deutlich geworden.
So ist es derzeit bei drei Stellen im Bereich der katholischen Theologie an westdeutschen Universitäten. Die Probevorträge haben schon vor mehreren Jahren stattgefunden; die Stellen sind weiter unbesetzt, doch Rechtsstreitigkeiten verzögern den Abschluss der Verfahren. Und auch an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie ist die Professur für Fundamentaltheologie seit 2020 vakant. Ein Kandidat, dem die Stelle ursprünglich zugesagt worden war, kam dann doch nicht nach Köln; über die Gründe dafür hält sich die Hochschule bedeckt.
Dass bei Berufungsverfahren auch akademische Intrigen und Schulstreitigkeiten eine Rolle spielen können, ist jüngst wieder am Beispiel der akademischen Karriere Joseph Ratzingers deutlich geworden.
Frauenquote und Priesterquote
Einen anderen Weg, um die Priesterquote zu verbessern, ist man an der Universität Bonn gegangen. Dort sorgte 2020 die Ausschreibung einer Professur für Exegese des Neuen Testaments für Aufsehen. Darin hieß es: "Die Professur wird mit einem Priester besetzt". Das Kuriosum: Die Ausschreibung enthielt zunächst auch die Standardformulierung, "einschlägig qualifizierte Frauen" seien "nachdrücklich" zur Bewerbung aufgefordert. Frauenquote oder Priesterquote – in einer Stelle lassen sich beide Anliegen nicht vereinen.
Die Bonner Vorgehensweise scheint in Bayern keine Option zu sein. Das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst hält einen solchen Weg offenbar sogar für verfassungswidrig. Der Sprecher erklärt: "Eine Ausschreibung von Professuren ausschließlich für Priester würde dem in Art. 33 II GG verfassungsrechtlich verbürgtem Grundsatz der Bestenauslese widersprechen."
Eine gleichzeitige Umsetzung der kirchenoffiziell angestrebten Quotierung und der staatlich gewünschten Quotierung – 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Priester – würde es für eine Gruppe allerdings unmöglich machen, Theologieprofessor zu werden: für männliche Laien.
Es ist hierzulande allerdings erklärtes politische Ziel, den Anteil von Frauen in wissenschaftlichen Spitzenpositionen zu erhöhen und in Richtung Parität zu entwickeln. Ein weiteres Quotierungsziel also, diesmal von staatlicher Seite. Die Frauenquote bei den Professuren für katholische Theologie lag zuletzt in Deutschland bei 23 Prozent.
Auch bei den Erstberufungen im deutschen Sprachraum betrug der Frauenanteil im Jahr 2023 unserer Übersicht zufolge rund 23 Prozent: vier von 17 Professuren gingen an Frauen. Eine gleichzeitige Umsetzung der kirchenoffiziell angestrebten Quotierung und der staatlich gewünschten Quotierung – 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Priester – würde es für eine Gruppe allerdings unmöglich machen, Theologieprofessor zu werden: für männliche Laien.