Am gestrigen Sonntag wollte ich, wie vom Papst den Kardinälen in Rom empfohlen, mit den privaten Fasten-Exerzitien beginnen, da platzte am frühen Nachmittag aus deutschen Journalistenkreisen eine Mail herein mit dem vollen Text des vom Papst ausdrücklich gebilligten Schreibens von drei in der Sache zuständigen Kardinälen an die Deutsche Bischofskonferenz. Der Brief war bei allen freundlichen Formulierungen eine in der Sache völlig klare und eindeutige, alle neuen trickreichen Uminterpretationen ausschließende Absage an die von allem Anfang an irrealen Hoffnungen des Synodalen Wegs, durch entschlossenen Widerstand gegen Rom das Projekt eines Synodalen Rates durchsetzen zu können. Da ich den Wirbel, die Enttäuschung und bei manchen auch die Wut voraussah, bin ich in die nahe bei meiner Wohnung liegende Peterskirche gegangen, zum Grab des Apostels Petrus hinabgestiegen und habe dabei auch noch einen Zwischenstopp am Grab von Papst Benedikt XVI. gemacht.
Als ich heute früh nach der Feier der Eucharistie das Internet wieder öffnete, fand ich neben anderen Stellungnahmen das Interview mit dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn mit Mahnungen an die Mitbrüder in der Deutschen Bischofskonferenz. Er ruft eindringlich dazu auf, die Einheit mit Rom und in der Kirche nicht aufs Spiel zu setzen – eine Mahnung, der ich nur voll und ganz zustimmen kann. Als Bischöfe haben wir bei unserer Bischofsweihe öffentlich das Versprechen der Treue gegenüber dem Papst und dem Heiligen Stuhl gegeben. Wenn wir es jetzt brechen würden, würden wir vor der Kirche und vor der Welt vollends unglaubwürdig dastehen.
Wie können Bischöfe die Kernaufgabe ihres apostolischen Dienstes, das Evangelium und die Lehre der Kirche zu bezeugen, an einen wie auch immer besetzten Rat delegieren und ihm den Gehorsam leisten, den sie dem Papst verweigern?
Wie können Bischöfe die Kernaufgabe ihres apostolischen Dienstes, das Evangelium und die Lehre der Kirche zu bezeugen, an einen wie immer besetzten Rat delegieren und ihm den Gehorsam leisten, den sie dem Papst verweigern? Versagen sie damit nicht auch in ihrem Hirtenauftrag, indem sie bei den ihnen anvertrauten Gläubigen noch mehr Verwirrung stiften, als es ohnedies schon der Fall ist? Versagen sie damit nicht ihrem Dienst an der Einheit des Glaubens in der ihnen anvertrauten Ortskirche, die nur in der Einheit mit der universalen Kirche möglich ist?
Jeder einigermaßen Orientierte weiß, dass es in Deutschland viele Stimmen gibt, die ebendiese Opposition erwarten und wünschen; eher vereinzelt gibt es diese Stimmen auch in anderen Ländern. Doch jeder Orientierte weiß auch, wie viele der noch praktizierenden Gläubigen, die keine öffentliche Stimme haben, zutiefst verstört sind. Wäre es nicht unsere Aufgabe, auch und gerade auf sie zu hören? Machen wir uns nichts vor. Die lauten Stimmen sind nicht der consensus fidelium, wie er theologisch zu verstehen ist; theologisch ist er nicht zahlenmäßig und rein demografisch zu bestimmen; theologisch ist der consensus qualitativ als consensus in fide apostolica der universalen Kirche zu verstehen – und das in Gemeinschaft mit dem weltweiten Episkopat unter dem Vorsitz des Bischofs von Rom.
Das Konzil weiterdenken
Angesichts der Polarisierungen in der gegenwärtigen Kirche ist ein solcher Konsens weder durch ein Machtwort von oben noch durch Unbotmäßigkeiten von unten zu erreichen. Er kann nicht anders als durch ein synodales Miteinander zustande kommen. Darum hat Papst Franziskus einen universalen synodalen Prozess des Hörens auf den Geist Gottes und des Aufeinander-Hörens eingeleitet. Die erste Sitzungsperiode im Oktober des vergangenen Jahres ist nach meiner persönlichen Einschätzung erfolgreich verlaufen. In der zweiten Sitzungsperiode im Oktober dieses Jahrs wird es nun darum gehen, auf der Grundlage und in Weiterführung des Zweiten Vatikanischen Konzils konkrete Lösungen zu erarbeiten.
Das Konzil hat beides hervorgehoben, die Verantwortung der Laien, Männer und Frauen, in der Kirche und die Bedeutung des Episkopats. Doch wie das Zusammenspiel und der Konsens beider gelingen kann, ist durch die Konstituierung der nachkonziliaren Pastoralräte und viele Pastoralsynoden, in Deutschland die Würzburger Synode, zwar angedacht, aber noch nicht zu Ende gedacht. Hier gilt es anzusetzen und zu fragen, wie das Bischofsamt synodal so eingebunden werden kann, dass es nicht ausgehöhlt, vielmehr in seinem apostolischen Auftrag gestärkt wird, und auf der anderen Seite die Laien ihre Mitverantwortung effektiv wahrnehmen können. Dazuhin sollte es institutionelle Möglichkeiten geben, um Missbrauch des Amtes und Vertuschung vorzubeugen und gegebenenfalls gegen sie vorzugehen.
Im weltkirchlichen synodalen Prozess sollte keiner als Lehrmeister der anderen Ortskirchen, vielmehr jeder als von anderen Ortskirchen bereitwillig Lernender auftreten. Das stünde uns Deutschen besonders an.
Die Tatsache, dass die Möglichkeit eines Synodalrats, so wie er durch den deutschen Synodalen Weg vorgesehen war, inzwischen definitiv ausgeschlossen ist, bedeutet nicht, dass es nicht andere Möglichkeiten gibt, die mit der Tradition vereinbar sind und sie weiterführen. In meiner Heimatdiözese Rottenburg-Stuttgart haben wir unmittelbar nach dem Konzil mit der Einrichtung eines Diözesanrats ein solches Modell entwickelt und seither weiterentwickelt; es hat sich seit weit mehr als 50 Jahren bewährt, ist allgemein angenommen und hat vonseiten Roms nie irgendwelche Kritik gefunden. Dieses Modell mag noch nicht in allem der Weisheit letzter und auch nicht der einzig mögliche Schluss sein. Ortskirchen in anderen Kontinenten haben andere Möglichkeiten ausprobiert. Darum sollte im weltkirchlichen synodalen Prozess keiner als Lehrmeister der anderen Ortskirchen, vielmehr jeder als von anderen Ortskirchen bereitwillig Lernender auftreten. Das stünde uns Deutschen besonders an.
Abschließend scheint mir eines wichtig zu sein: Zumal angesichts der knapper werdenden finanziellen Mittel, kann es nicht darauf ankommen, jetzt möglichst viele neue Institutionen zu schaffen, vielmehr sollten wir die Institutionen, die wir in Deutschland bereits oft mehr als genug haben, bündeln, sie weniger bürokratisch und mehr spirituell ausgestalten und damit dem Ziel der Synodalität näher kommen. Synodalität ist kein fertiges System; Synodalität ist ein Weg, den man gemeinsam gehen muss – mit Blick auf Christus in seinem Geist.