Kaum ist die Weltsynode in Rom zu Ende gegangen, entbrennt bereits ein Disput um die theologische Einschätzung dieses Ereignisses. Walter Kardinal Kasper, der über eine jahrzehntelange Erfahrung mit Bischofssynoden verfügt, warnt im Gespräch mit Jan-Heiner Tück davor, das Schlussdokument der Versammlung als unverbindliche Option abzutun.

Jan-Heiner Tück: Ohne Umkehr keine Erneuerung. Die gerade zu Ende gegangen Synode in Rom hat mit einer Bußvigil begonnen. Ein richtiger Auftakt?

Walter Kardinal Kasper: Der Ruf zur Umkehr ist wesentlicher Bestandteil der Botschaft Jesu (Mk 1,19). Im Credo bekennen wir die Kirche als die vom Heiligen Geist geleitete heilige Kirche; gleichzeitig ist sie die Kirche der Sünder, die immerzu der Reinigung und der Reform bedarf. Die Bußvigil zu Beginn der Synode konnte anknüpfen an den Bußakt, den Johannes Paul II. am ersten Fastensonntag des Heiligen Jahrs 2000 liturgisch begangen hat. Auch wenn Umkehr und Buße uns und auch der Kirche gewöhnlich schwer fallen, so sind sie doch Geschenk der Gnade, von der Last der Vergangenheit befreit immer wieder neu anfangen zu dürfen. Sie sind ein Geschenk christlicher Freiheit.

Tück: Nun haben Bischöfe, Priester und Laien, darunter auch Frauen, vier Wochen intensiv beraten. Die Methode war die spirituelle Konversation. Hat sie sich bewährt?

Kasper: Nach meinem Eindruck, eindeutig ja. Die synodale Methode erwies sich als wohltuende Alternative zu aggressiven Streitgesprächen und der ganzen Unkultur, die heute in der politischen und leider auch in kirchlichen Debatten vorherrscht. Da bleiben am Ende nur vermeintliche Sieger und gedemütigte, verwundete Besiegte übrig. Bei der Synode konnten wir uns mit übergroßer Mehrheit synodal, d.h. gemeinsam auf den Weg machen.

Nicht nur das theologische Niveau, auch die theologischen Positionen waren verschieden. Eine Synode ist nun einmal kein Theologenkongress. Sie soll das Volk Gottes mit seinen unterschiedlichen Glaubenserfahrungen und doch auch mit seinem in der Taufe geschenkten gemeinsamen Glaubenssinn (sensus fidei) zu Wort kommen lassen. 

Tück: Erkennen Sie im synodalen Miteinander auch unterschiedliche theologische Niveaus, ein entsprechendes Risiko, passagenweise aneinander vorbeizureden? Und wie wurde hier methodisch gegengesteuert?

Kasper: Natürlich hat es diese Gefahr auch bei der Synode gegeben. Bei Menschen, die aus unterschiedlichsten Kulturen und Sprachen kommen, ist das anders gar nicht möglich. Vor allem der relativ neue Begriff der Synodalität wurde anfangs sehr verschieden verstanden. Nicht nur das theologische Niveau, auch die theologischen Positionen waren verschieden. Eine Synode ist nun einmal kein Theologenkongress. Sie soll das Volk Gottes mit seinen unterschiedlichen Glaubenserfahrungen und doch auch mit seinem in der Taufe geschenkten gemeinsamen Glaubenssinn (sensus fidei) zu Wort kommen lassen. Dann kam es zu einem Lernprozess, sozusagen zu einem learning by doing. Zwischen der ersten und der zweiten Sitzungsperiode war ein deutlicher Fortschritt zu erkennen. Die Kleingruppen ermöglichten einen regen direkten Austausch von Person zu Person. Im Hintergrund war eine Expertengruppe tätig, welche bei der Vorbereitung des Schlussdokuments die unterschiedlichen Begrifflichkeiten glätten konnten, allerdings mit dem Nachteil, dass der ursprüngliche Entwurf des Schlussdokuments zumindest in der italienischen Sprache ansprechender war als das etwas kanonistisch geglättete Schlussdokument. Immerhin: weit mehr als zwei Drittel fanden sich verstanden und stimmten gerne zu.

Den missionarischen Rucksack für das 21. Jahrhundert packen

Tück: Der "Primat der Evangelisierung" ist ein Anliegen von Papst Franziskus. Die synodale Kirche soll eine missionarische sein. Jeder Getaufte soll aktiver Träger der Evangelisierung sein. Zeichnen sich hier Veränderungen ab?

Kasper: Evangelium und Evangelisierung waren schon bei Papst Johannes XXIII. das Grundanliegen bei der Einberufung des II. Vatikanischen Konzils. Papst Paul VI. hat unter diesen Begriffen das Konzil zusammengefasst, alle folgenden Päpste haben sich diesen Grundtenor zu eigen gemacht, besonders Papst Franziskus spricht von der Freude des Evangeliums. Bei vielen Reisen durch die Welt konnte ich viele gute Früchte erkennen in Gemeinden, neuen geistlichen Bewegungen wie in Ordensgemeinschaften, die sich erneuert haben und auch in der Theologie. Dennoch gibt es noch viel zu viel Beschäftigung der Kirche mit sich selbst, oder gar Lethargie, Schwung- und Perspektivenlosigkeit in der Kirche. Die Synode selbst war vom Thema her auch Selbstbeschäftigung, freilich in der ausgesprochenen Absicht, sich für die uns von Jesus Christus aufgetragene Mission neu fit zu machen und sozusagen den Rucksack für einen Neuaufbruch ins 21. Jahrhundert zu packen. Jeder hat eine Mission und jeder ist eine Mission.

Wir werden uns damit abfinden müssen, dass Europa schon heute und in Zukunft nicht mehr der Mittelpunkt der Welt ist. Es weht starker Südwind. 

Tück: Die Gewichte haben sich verschoben. Knapp Zweidrittel der Synodalen stammte aus dem Globalen Süden. Hier sind die kulturellen Voraussetzungen für Evangelisierung andere als im Westen. Kurzum: Ist die Herausforderung der säkularen Kultur für die Weitergabe des Evangeliums hinreichend bedacht worden?

Kasper: Wir werden uns damit abfinden müssen, dass Europa schon heute und in Zukunft nicht mehr der Mittelpunkt der Welt ist. Es weht starker Südwind. Die jungen Kirchen in der südlichen Hemisphäre lassen uns Europäer oft etwas alt aussehen. Aufgrund der wirtschaftlichen und technischen Globalisierung gibt es selbstverständlich auch im Süden säkularisierende Tendenzen, aber dennoch trotz Armut und oft Verfolgung lebendige und wachsende Kirchen. Die Herausforderung der säkularen Kultur stellt sich darum nicht überall in der gleichen Dringlichkeit, und sie war auch nicht das Thema der Synode. Die Herausforderung ging eher von Kontexten der Armut und des Elends, himmelschreiender Ungerechtigkeit, von Naturkatastrophen und kriegerischen Auseinandersetzungen, einem neuen Weltkrieg in Etappen und einem neuen Erwachen indigener Kulturen aus.

Synodalität: Ein Frontalangriff gegen Klerikalismus

Tück: Die Missbrauchskrise wird im Abschlussbericht (Art. 55) erwähnt. Die Bitte um Vergebung, die verstärkte Sorge um die Opfer und präventive Instrumente werden als Antworten genannt. Reicht das aus, um die globale Vertrauenskrise wiederherzustellen?

Kasper: Mit Sicherheit reicht das nicht aus; aber es ist gut, daran erinnert zu haben. Man kann in einer Weltsynode in knapp vier Wochen nicht alle wichtigen Themen, auch wenn sie noch so wichtig sind, mit der nötigen Gründlichkeit behandeln. Da die Synode einen hinhörenden, achtsamen, wertschätzenden und respektvollen Umgang, besonders mit verwundbaren Personen in die Mitte gestellt hat, hat sie indirekt zum Thema Missbrauch Grundlegendes beigetragen. Dasselbe gilt, wenn man erkennt, dass Synodalität geradezu ein Frontalangriff gegen Klerikalismus und die Verpflichtung des Bischofs zu regelmäßiger Rechenschaft zugleich eine grundlegende Präventivmaßnahme gegen Vertuschung ist. Der Aufbau synodalen Stils wie synodaler Institutionen und die Aufarbeitung und Prävention des Missbrauchs gehen Hand in Hand. Da Vertrauen rasch zerstört, aber verlorenes Vertrauen nur langfristig wiederaufgebaut werden kann, wird uns die Aufarbeitung des Missbrauchs wie der Aufbau eines synodalen Stils noch lange Zeit beschäftigen.

Die Ortskirche ist nicht nur eine Provinz oder ein Verwaltungsbereich der universalen Kirche, sie ist vielmehr Kirche am Ort. Entsprechend hat das Leben des Christen seinen Ort normalerweise im lokalen, sozialen und kulturellen Nahbereich. (...) Wir brauchen (...) Zwischeninstanzen auf diözesaner, nationaler und kontinentaler Ebene, die ihrerseits mit dem Bischof von Rom in Gemeinschaft sein müssen.

Tück: Die "heilsame Dezentralisierung" (EG 16) zur Förderung der Inkulturation des Glaubens und die juridische und theologische Aufwertung der Bischofskonferenzen war ein Thema. Sehen Sie hier Fortschritte?

Kasper: Die Diskussion um den Status der Bischofskonferenzen ist nicht neu; sie wird seit dem Konzil geführt und ich erinnere mich, schon vor gut 40 Jahren in einer römischen Kommission zu diesem Thema teilgenommen zu haben. In vielen Pastoralsynoden, etwa der "Würzburger Synode", und in theologischen Debatten spielt das Thema seit dem Konzil eine wichtige Rolle. Mit dem damaligen Kardinal Ratzinger habe ich dazu eine bewegte öffentliche Debatte geführt. Neu ist, dass wir diese Frage heute endlich "kirchenamtlich" im ekklesiologischen Gesamtkontext von Einheit in der Vielheit, oder besser: von Vielheit der Ortskirchen innerhalb der Einheit der universalen Kirche diskutieren. Dazu liegen inzwischen viele fundierte exegetische, historische und theologische Untersuchungen vor. Sie sagen uns: Die Ortskirche ist nicht nur eine Provinz oder ein Verwaltungsbereich der universalen Kirche, sie ist vielmehr Kirche am Ort. Entsprechend hat das Leben des Christen seinen Ort normalerweise im lokalen, sozialen und kulturellen Nahbereich. Darum kann man die Kirche auch angesichts der sozialen und kulturellen Vielfalt und Komplexität der heutigen Welt nicht allein von einer fernen zentralen Stelle aus steuern und leiten. Wir brauchen, ohne die Einheit im geringsten in Frage zu stellen, Zwischeninstanzen auf diözesaner, nationaler und kontinentaler Ebene, die ihrerseits mit dem Bischof von Rom als Wächter der Einheit und Vorsitzender im Liebesbund (Ignatius von Antiochien) in Gemeinschaft sein müssen.

Universalkirche und Ortskirchen bedingen einander

Tück: Henri de Lubac hat gesagt: "Das Kollegium der Bischöfe ist universell – oder es ist gar nicht." Die eine Bischofskonferenz könne nicht juridisch entscheiden oder theologisch lehren, was die andere ablehne. Dezentralisierung könne so zu Rissen im Gefüge der Weltkirche werden. Er hat den Bischofskonferenzen rein pastoralen Charakter zugeschrieben. Was würden Sie antworten?

Kasper: Der These von Henri de Lubac stimme ich ganz zu; aber Lubac hat auch ein vielbeachtetes, ins Deutsche übersetztes Buch über das Verhältnis von Teilkirche und Universalkirche geschrieben, wonach sich Ortskirche und Universalkirche gegenseitig innerlich sind. Einheit bedeutet nicht Einheitlichkeit und Einförmigkeit. Die Einheit der Kirche gleicht vielmehr dem harmonischen Zusammenspiel eines Konzerts mit vielen unterschiedlichen, aber zusammenklingenden Instrumenten. Die Universalkirche ohne lebendige Ortskirchen ist eine Abstraktion, und die Einzelkirche, die – sei es diözesan, national oder kontinental – nicht in Gemeinschaft und im Dialog mit der Universalkirche und mit den anderen Ortskirchen steht, ist wie ein vertrockneter Ast eines Baumes, den der Wind und erst recht der Sturm verweht.

Was die Deutsche Bischofskonferenz angeht, so habe ich den Eindruck, dass die Mehrheit nunmehr in Absprache mit Rom einen konsensorientierten Weg einschlagen will. Wie er aussieht, wird man abwarten müssen.

Tück: Die synodale Einbettung bischöflicher Entscheidungen ist festgeschrieben worden: Transparenz, Rechenschaftspflicht und Evaluation lauten die Stichworte. Gleichzeitig stellt der Abschlussbericht klar, dass die Entscheidungskompetenz des Bischofs "unveräußerlich" (Art. 92) ist, er also nicht einfach Exekutivorgan synodaler Mehrheitsentscheidungen ist. Inwiefern ist das eine Präzisierung im Blick auf das Vorhaben des Synodalen Weges in Deutschland?

Kasper: Die Entscheidungskompetenz des Bischofs ist "unveräußerlich", aber sie soll synodal geschehen, sowohl mit seiner eigenen Synode wie mit den Mitbrüdern in der Bischofskonferenz. Besonders der Vorsitzende der Bischofskonferenz muss darauf achten, dass möglichst alle Diözesanbischöfe zustimmen können und abweichende Stimmen nicht einfach überstimmt und niedergestimmt werden. Einzelne "Dissenters" hat es bei Konzilien und Synoden schon immer gegeben; sie wurden auch toleriert, sofern sie nicht zu einer Fundamentalopposition wurden – wie Erzbischof Marcel Lefebvre und die Bischöfe der Piusbruderschaft. Was die Deutsche Bischofskonferenz angeht, so habe ich den Eindruck, dass die Mehrheit nunmehr in Absprache mit Rom einen konsensorientierten Weg einschlagen will. Wie er aussieht, wird man abwarten müssen.

Diakonat der Frau: theologisch möglich und pastoral sinnvoll

Tück: Jean Daniélou hat schon während des Zweiten Vatikanischen Konzil den Vorschlag gemacht, den Diakonat der Frau nach dem Modell der Urkirche wieder einzuführen. Alle historischen, liturgischen und theologischen Aspekte sind – auch durch zwei päpstliche Kommissionen – inzwischen aufgearbeitet worden. Der Papst hat das Thema dennoch von der Agenda der Bischofssynode genommen und in eine Studiengruppe verlegt. Am Ende ließ er wissen, die Zeit sei noch nicht reif. Wie hätten Sie entschieden?

Kasper: Die Tatsache, dass nun schon mehrere Kommissionen mit der Frage der Wiedereinführung des Diakonats von Frauen beauftragt waren, aber keine zu einer einmütigen Entscheidung gekommen ist, zeigt, dass die Frage umstritten, aber auch offen ist, und als offene Frage wird sie auch im Schlussdokument der Synode bezeichnet. Sie ist lehramtlich nicht verbindlich entschieden. Ich selber habe mit der Antwort auf diese Frage längere Zeit gerungen, bin inzwischen zur Überzeugung gekommen, dass es gute Gründe gibt, die es theologisch möglich und pastoral sinnvoll machen den ständigen Diakonat (!) für Frauen zu öffnen. Jede Ortskirche wäre frei zu entscheiden, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch manchen will oder nicht.

Tück: Der Druck der Frauenfrage ist gewaltig – und war auch auf der Synode ein Thema, das sich nicht von der Tagesordnung drängen ließ. Es gab in der Geschichte der Kirche einen spezifisch weiblichen Diakonat – kann man daran nicht anknüpfen? Manche sagen, es habe nur einen Segen gegeben und keine sakramentale Ordination, die Einheit des Ordo von Diakonat, Presbyterat und Bischofsamt werde angetastet, wenn man Frauen zu Diakoninnen weihen würde. Wie sehen Sie das?

Kasper: Es gibt in der Tat ein Traditionsargument, wonach die östliche wie die lateinische Kirche Diakoninnen, im Westen bis etwa ins 12. Jahrhundert kannten. Die strikte Unterscheidung zwischen einem Sakrament und einem Sakramentale gab es im ersten Jahrtausend noch nicht; darum ist es unsachgemäß zu sagen, die Diakoninnen-Weihe sei damals ein Sakramentale gewesen. Dagegen spricht auch die Tatsache, dass – soviel ich weiß – die Ordinationsformulare bei Diakonen und Diakoninnen dieselben waren. Für problematisch halte ich das von Ihnen erwähnte Argument, dass Diakonat, Presbyterat und Episkopat das eine Sakrament des Ordo sind und man Frauen daher nicht zu Diakoninnen weihen dürfe. Wie hätte dann Benedikt XVI. sagen können, dass Priester und Bischof Jesus Christus als Haupt der Kirche repräsentieren, der Diakon aber nicht; und wie war es dann möglich, dass die Bischofsweihe im zweiten Jahrtausend nicht als Sakrament galt, und endgültig erst durch das II. Vatikanum unter Rekurs auf die alte Kirche, die diese Unterscheidung gar nicht kannte, als Sakrament erklärt wurde. Es gab und gibt also innerhalb des einen Sakrament des Ordo nicht unerhebliche Unterschiede und ebenso geschichtliche Entwicklungen, die sich an pastoralen Bedürfnissen orientiert haben.

Sachlich entscheidend wird die Rezeption sein, also die Frage, was in Rom und in den Ortskirchen faktisch konkret aus dem Dokument gemacht wird. Es von vorneherein als unverbindliche Optionen abzutun, fällt der Synode und allen in den Rücken, die sich seit mehr als zwei Jahre abgerackert haben

Tück: Überraschend hat der Papst am Ende angekündigt, den Abschlussbericht zu akzeptieren und kein eigenes postsynodales Schreiben zu verfassen. Wie bewerten Sie diese Entscheidung? War das ein pontifikaler Akt der freiwilligen Selbstbindung an die Synode?

Kasper: Der Papst hat schlicht und einfach von seinem primatialen Recht Gebrauch gemacht, ein synodales Dokument zu bestätigen, es in Kraft zu setzen und zu veröffentlichen. Das Schlussdokument hat damit einen vergleichbaren Status wie viele kuriale Dokumente, die der Papst bestätigt, aber nicht selbst unterschreibt.

Tück: Der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke hat postwendend bemängelt, der Papst habe zwar den Abschlussbericht zur Veröffentlichung freigegeben, aber nicht formell approbiert, wie es die Apostolische Konstitution "Episcopalis Communio" (Art. 18) vorsieht. Mehr als "unverbindliche Optionen" gebe es daher nicht. Was halten Sie von dieser Einschätzung?

Kasper: Ich bin kein Kanonist vom Fach und will darum nicht in einen fachlichen Disput mit Professor Lüdecke eintreten. Doch wohl nicht nur ich habe die Worte des Papstes als Zustimmung zum Schlussdokument verstanden; anders hätte er ja wohl die Veröffentlichung nicht anordnen können. Ob man das nun als formelle Approbation verstehen will oder nicht, mögen Kanonisten entscheiden. Sachlich entscheidend wird die Rezeption sein, also die Frage, was in Rom und in den Ortskirchen faktisch konkret aus dem Dokument gemacht wird. Es von vorneherein als unverbindliche Optionen abzutun, fällt der Synode und allen in den Rücken, die sich seit mehr als zwei Jahre abgerackert haben und nun dankbar sind, dass es mit Zustimmung des Papstes möglich war, mit einer satten Zweidrittelmehrheit ein Dokument auf den Weg zu bringen, das ausbaufähig ist und als Roadmap für den weiteren Weg der Kirche gute Dienste tun kann.

Wandel in der Ausübung des päpstlichen Primats

Tück: Allerdings bleibt manche Dissonanz stehen – und findet nach der mehrjährigen Konsultation und Beratung keine Auflösung. Spitz formuliert könnte der Eindruck entstehen, die hierarchische Gemeinschaft der Kirche mit dem Papst, dem das Dienstamt der Einheit obliegt, solle in eine synodale Diskursgemeinschaft umgepolt werden. Ein unberechtigter Eindruck?

Kasper: Ja, ein unberechtigter Eindruck. Allein dem Papst steht es zu, eine Synode einzuberufen, ihr vorzustehen, sie zu beendigen und synodale Dokumente zu bestätigen oder sie als Ganzes oder in einzelnen Punkten abzuändern oder zu ergänzen. Diese und andere primatialen Rechte sind durch die Synode mit keinem Wort in Frage gestellt worden. Die synodalen Vorschläge beziehen sich lediglich auf die Art und Weise seiner synodalen Ausübung des Primats. Ob und wie das geschieht, darauf darf man gespannt sein. Doch ohne Zweifel hat die Ausübung des Primats im Laufe der Geschichte, vor allem zwischen dem ersten und zweiten Jahrtausend, mehrfach erhebliche Wandlungen erfahren. Vielleicht stehen wir jetzt im dritten Jahrtausend wieder vor einem ähnlichen geschichtlichen Wandel.

Tück: In der Ekklesiologie des Konzils wird am Ende ein eschatologische Hoffnungshorizont aufgerissen (vgl. Lumen Gentium, Kap. 7). Das wandernde Gottesvolk ist demnach eine vorläufige Größe, die auf die himmlische Polis zugeht. Wäre es nicht gut, in Zeiten des Umbruchs über diese Hoffnungsperspektive einer synodalen Kirche verstärkt nachzudenken?

Kasper: Einverstanden. Die eschatologische Hoffnungsperspektive ist gerade in einer Zeit, in der viele andere Erwartungen trügen und der Himmel ziemlich verhangen aussieht, von größter Bedeutung. Hoffnung wird darum das Grundthema des bevorstehenden Heiligen Jahrs sein. Die Synode hat das Thema wie viele andere nicht ausdrücklich angesprochen, ihm aber praktisch zugearbeitet. Sie hat den im Westen weit verbreiteten kirchlichen Defätismus durch ihr praktisches Zeugnis zu überwinden versucht und gezeigt: Die Kirche ist nicht verkrustet, sie macht sich gemeinsam auf den Weg und strahlt Zuversicht und Hoffnung aus.

Die ökumenische Bedeutung dieses Wandels ist offensichtlich, wenngleich im Einzelnen noch nicht absehbar. Immerhin, wir waren Zeugen eines kirchengeschichtlichen Ereignisses, das Veränderungen mit sich bringt und Zukunft eröffnet.

Tück: Sie haben unter den Päpsten Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus an vielen Bischofssynoden teilgenommen. Worin besteht für Sie das Besondere und Zukunftsweisende dieser Synode?

Kasper: Zum ersten Mal habe ich an einer Bischofssynode teilgenommen, als ich noch nicht Bischof war und als Theologischer Sekretär bei der außerordentlichen Synode 1985 zu 20 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil berufen wurde. Ich musste den Einführungs-, Zwischen-, und Schlussbericht des Relators, Kardinal Gottfried Danneels (Mecheln-Brüssel) vorbereiten, und das damals noch in lateinischer Sprache. Damals lagen erhebliche Spannungen hinsichtlich der Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils in der Luft. Die früheren Synoden waren sehr von der Kurie kontrolliert. Geblieben sind jeweils die post-synodalen Schreiben des Papstes, bei Papst Benedikt bestens geschliffene theologische Edelsteine, aber wer las das alles? Mit der Zeit gab es eine eng begrenzte Zahl von "hand-verlesenen" Laien, Männer und Frauen als Gäste, auch ökumenische Gäste, die freilich erst gegen Schluss zu Wort kamen.

Papst Benedikt XVI. hat erste Öffnungen eingeführt, etwa eine Zeit für thematisch freie Diskussionen. Eine tiefergehende Wende setzte unter Papst Franziskus ein, der zur freimütigen Rede einlud und Kontroversen zuließ, etwa bei den beiden Familiensynoden, dann mit der Neukonzeption der Synode durch Apostolische Konstitution Episcopalis communio (2018), die Synode kein Event, sondern ein Prozess. Die Weltbischofssynode (2023/24) ist ein wahrhaft historisches Ereignis, da es in dieser Form einer weltweiten Vorbereitung und der gleichberechtigten Teilnahme von Laien, Männer und Frauen, in der ganzen Geschichte der Kirche nicht gegeben hat. Sie ist auch mit den Ansätzen zu einer Re-Rezeption des Ersten Vatikanischen Konzils ein nicht rückgängig zu machendes Ereignis! Dass dabei vieles sowohl ekklesiologisch wie kanonistisch offengeblieben ist, ist keine Kritik, vielmehr Ausdruck der Zukunftsoffenheit sowohl der Synodenstruktur wie des Gegenstands der Synode. Das Thema der Synodalität der Kirche ist nun nicht mehr vom Tisch zu wischen. Damit zeichnet sich auf der Grundlage des Zweiten Vatikanischen Konzils die synodale Gestalt der Kirche im 3. Jahrtausend ab. Die ökumenische Bedeutung dieses Wandels ist offensichtlich, wenngleich im Einzelnen noch nicht absehbar. Immerhin, wir waren Zeugen eines kirchengeschichtlichen Ereignisses, das Veränderungen mit sich bringt und Zukunft eröffnet.

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