Eine Kolumne ist eine Kolumne. Vom literarischen Genus her kann sie "tüchtig einseitig" (Kierkegaard) Sichtweisen einspielen, die quer stehen und gerade so Aufmerksamkeit wecken. Ulrich Greiner ist kein kirchlicher Insider oder Theologe, sondern Literaturkritiker und Schriftsteller. Seine Stimme hat Gewicht. Wenn er als Intellektueller das fehlende katholische Profil katholischer Akademien aufspießt, kann er das machen. Warum nicht?
Einige Direktoren katholischer Akademien haben gegen die Kolumne von Greiner heftig protestiert. Sie sei polemisch, nicht satisfaktionsfähig, ja dumm und gemein. Sie übersehe das vielfältige Programmangebot, das es im Blick auf Bibel und Liturgie, Ökumene und interreligiösen Dialog, Ethik und Gesellschaft gerade in den Akademien gebe. Geschenkt! Die Akademien seien wichtige Orte im Schnittfeld zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, Orte des Dialogs, die es sonst kaum noch gebe – und die angesichts der affektiven Polarisierung in Politik und Gesellschaft die sachliche Debatte ermöglichten und daher gefördert werden sollten. Institutionsschutz und Stellengarantien für Akademien angesichts knapper werdender Kassen – unbedingt! Auch sei die Ausrichtung der Häuser je nach Handschrift der Leitung und Standort verschieden. Berlin, München, Frankfurt, Dresden, Freiburg, Mainz – das könne doch nicht alles über einen Kamm geschert werden – zweifellos!
Fremdpropheten anhören
Warum aber dann die Weigerung, Greiners Einspruch zum Anlass einer selbstkritischen Überprüfung zu machen? Gerne ist man doch sonst bereit, die Stimme von "Fremdpropheten" zu hören und die Provokation von Andersorten – "Heterotopien" – im Sinne des Weltauftrags der Kirche zu würdigen. Gerne betont man die offene und freie Diskussionskultur an Katholischen Akademien mit Akteuren aus Politik, Kultur und Zivilgesellschaft – soll die nun plötzlich Grenzen haben, wenn ein Außenstehender unbequeme Beobachtungen macht? "Wie ist es um das katholische Profil der Katholischen Akademien bestellt?" – soll diese Anfrage tabu sein? Wäre es nicht souveräner, den Hamburger Literaturkritiker – wenn nicht in Frankfurt, dann vielleicht anderswo – zu einer öffentlichen Diskussion über das inhaltliche Profil der Akademien einzuladen und seine Kolumne als produktive Irritation zu nutzen? Immerhin hat Greiner auf den Punkt gebracht, was viele seit Jahren denken, aber nicht öffentlich sagen: dass es um das Profil mancher Bildungshäuser und Akademien in Deutschland nicht zum Besten bestellt ist, ja dass die Rede von Gott und Christus, den Sakramenten der Kirche, dem Credo, der Liturgie hier kaum einen Ort hat.
Eine klare Antwort auf die Frage nach dem katholischen Profil bleibt allerdings ein Desiderat.
Der getroffene Hund bellt. Die Reaktion von Siegfried Grillmeyer, Direktor der katholischen Akademie der Erzdiözese Bamberg, auf katholisch.de ist eine schöne Apologie. Sie ruft die Geschichte der Akademien und deren Auftrag in Erinnerung, in zunehmend säkularen Gesellschaften den Himmel offenzuhalten. Recht hat er. Eine klare Antwort auf die Frage nach dem katholischen Profil bleibt allerdings ein Desiderat. Die Reaktion ist ein Lehrbeispiel für einen performativen Selbstwiderspruch. Direktor Grillmeyer versichert, die "schlecht recherchierte Polemik" des ehemaligen Feuilleton-Chefs der ZEIT "nicht ernst nehmen" zu können, um dann genau das zu tun: Er nimmt sie ernst, und zwar sehr. Katholisch.de hat ihm einen ganz Tag lang die Top-Position eingeräumt. Und das ist gut so. Dass allerdings gleich zweimal darauf verwiesen wird, dass der Communio-Autor Greiner 78 Jahre alt ist, wirkt nicht ganz so gut oder ist – wienerisch gesprochen: "untergriffig". Als könne man vom Alter Rückschlüsse auf die inhaltliche Qualität ziehen. Mehr Inhalte, weniger Insinuationen – das würde der Debatte über das Katholische nicht nur in den Katholischen Akademien guttun.