In der katholischen Kirche in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es immer weniger Priester. Ohne ausländische Geistliche – allein aus Indien sollen über tausend Priester in Deutschland arbeiten – ginge schon lange nichts mehr. Es gibt auch immer weniger Gläubige. Doch die Zahl der Kirchengebäude bleibt in den meisten Bistümern weitgehend konstant. Die Folge: Die Reihen in den Kirchen lichten sich. Und nicht in jeder Kirche kann am Sonntag noch eine Messe gefeiert werden. Was kann man da tun? Eine Möglichkeit, die vielfach praktiziert wird: Andere Gottesdienste anberaumen, für die es keinen Priester braucht.
"Wir schauen immer auf die Messfeier. Was sind andere gottesdienstliche Formen? Wie beleben wir sie? Das Morgen- oder Abendlob, die Wortgottesfeiern mit Kommunionspendung." Das sagt der neue Bischof von Osnabrück, Dominicus Meier, im Interview mit der örtlichen Kirchenzeitung. Doch offensichtlich werden die vom Bischof genannten Alternativen nicht von allen Gläubigen gleichermaßen geschätzt, sodass Meier belehrend hinzufügt: "Die Gemeinden müssen selber merken, dass andere Formen genauso wertvoll sind wie die Messe. Da gibt es viele verengte Bilder. Es ist wichtig, mit der Gemeinde eine Form zu haben, mit Gott in Verbindung zu kommen und diese Vielfalt wertzuschätzen. Wir brauchen unterschiedliche Orte, etwa für Jugendliche oder für junge Familien. Die suchen häufig was anderes als den typischen Sonntagsgottesdienst."
Dass "andere Formen genauso wertvoll sind, wie die Messe" – diese Einsicht ist offenbar in den Köpfen noch nicht ganz angekommen. "In der Diskussion wird oft so getan, als verwalte man einen Mangel, wenn statt einer Eucharistiefeier ein Wortgottesdienst gefeiert wird", sagte kürzlich der Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann im Interview mit katholisch.de. Doch bei einem Wortgottesdienst solle man nicht von "Ersatz" sprechen: "Hier wird Christuspräsenz gefeiert, hier versammelt sich Kirche um den im Wort gegenwärtig geglaubten Christus."
Für den Liturgiewissenschaftler kommt es darauf an, "dass es sonntags Gottesdienst vor Ort gibt, dass sich Menschen versammeln und sich dadurch Kirche konstituiert". Ob das nun "in Form der Eucharistiefeier" geschieht, einer "intensiven Form des Mahls mit und um Christus", mit – immerhin! – "langer Tradition" oder ob man "Christus-Gegenwart in anderer Form" feiere: einerlei! Beides sei "Sonntagsliturgie". Wer "vor allem und ausschließlich die Eucharistie betont", der denke "stark priesterzentriert". Am Hochfest Allerheiligen übertrug die ARD erstmals statt einer Messe eine Wortgottesfeier aus dem Bistum Rottenburg-Stuttgart.
Das, was ganz offensichtlich aus einem Mangel heraus entstanden ist, soll nicht mehr als Ersatz gelten, sondern als "genauso wertvoll".
Laut dem Kirchenrecht sind die Gläubigen am Sonntag verpflichtet, an einer Messfeier teilzunehmen (c. 1247 CIC). Andere Formen gelten hier als Ausnahmen im Notfall: "Wenn wegen Fehlens eines geistlichen Amtsträgers oder aus einem anderen schwerwiegenden Grund die Teilnahme an einer Eucharistiefeier unmöglich ist, wird sehr empfohlen, dass die Gläubigen an einem Wortgottesdienst teilnehmen" (c. 1248 § 2).
Doch das, was ganz offensichtlich aus einem Mangel heraus entstanden ist, soll nicht mehr als Ersatz gelten, sondern als "genauso wertvoll", da sind sich Meier und Kranemann einig.
Aber stimmt das denn? Das "eucharistische Opfer" sei "Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens", heißt es in der Dogmatischen Konstitution "Lumen Gentium" des Zweiten Vatikanischen Konzils (11). Und im Katechismus der katholischen Kirche steht: "Die Eucharistiefeier ist der Inbegriff und die Summe unseres Glaubens" (1327). Propagieren Konzil und Katechismus damit "verengte Bilder"? Ist die Messe tatsächlich nur eine Form von vielen, um "mit Gott in Kontakt zu kommen"?
Das Sakrament der Sakramente
Natürlich feiern Katholiken nicht nur die Messe: Da sind die Feiern der anderen Sakramente, die Segnungen und die anderen Riten, die Umgänge und Prozessionen, das Stundengebet, die Andachten. Sieht man sich alte Gottesordnungen an, dann stellt man fest, dass das gottesdienstliche Leben in früheren Zeiten vielfältiger war.
Trotzdem war die einzigartige Bedeutung der Eucharistie, vor allem der Stellenwert der Messe am Sonntag, unbestritten. Die Eucharistie ist das "Sakrament der Sakramente". So steht es schon bei Pseudo-Dionysius Areopagita und so sagt es auch Thomas von Aquin, denn in der Eucharistie sei, anders als in den übrigen Sakramenten, "Christus selbst enthalten der Substanz nach".
Die Knappheit stärkt das Bewusstsein für den Wert einer Sache.
Es ist heute mancherorts etwas schwieriger, am Sonntag eine Messe zu besuchen, vor allem auf dem Land. Den Gläubigen wird erzählt, die Alternativen seien genauso gut. Sture Katholiken hören da weg, setzen sich ins Auto und fahren zur Messe in den Nachbarort. Die schmerzhafte Entscheidung, welche Kirche in Zukunft noch als Ort regelmäßiger Gottesdienste erhalten bleiben kann, wird so lange wie möglich hinausgezögert. Bis sich irgendwann auch für die Wortgottesdienste nicht mehr genug Leiter, Küster, Kirchenmusiker, Ministranten, Lektoren und vor allem Mitbeter finden. Es wäre besser, den Schmerz zuzulassen, anstatt den Mangel auf theologisch fragwürdige Weise zu kompensieren.
Die Knappheit stärkt das Bewusstsein für den Wert einer Sache. "Religiöse Kommunikation, spirituelles Erleben gelingt, wenn ihr ein innerer Magnetismus innewohnt, wenn es das richtig vermittelte Produkt ist, wenn es verlangt wird, sehnsüchtig, wie aus einem Gefühl des Anfangs und der Erfülltheit", schreibt COMMUNIO-Kolumnist Paul-Henri Campbell. Warum also nicht die verbleibenden Kräfte bündeln, damit dieser Wert auch in der Gestaltung der Sache – in einer schönen, liebevollen und überzeugenden Feier der Sonntagsmesse – zum Ausdruck kommt?