Für Außenstehende, wahrscheinlich auch für viele Katholiken, ist die ganze Sache schwer zu verstehen. Es geht um Folgendes: Bei ihrer Frühjahrsvollversammlung wollten die Bischöfe eigentlich die Satzung für einen geplanten "Synodalen Ausschuss" beschließen, dessen Aufgabe es hätte sein sollen, die Etablierung eines "Synodalen Rates" als neues Beratungs- und Entscheidungsgremium der katholischen Kirche vorzubereiten. Ein Eilbrief des Vatikans hat den Beschluss gestoppt. Es war nicht das erste Mahnschreiben aus Rom. Die Einrichtung eines dauerhaften "Synodalen Rates" gilt als zentrales Ergebnis des Gesprächsformats "Synodaler Weg" von Deutscher Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken, das von 2019 bis 2023 über Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal beraten hatte. Rom will ein solches Gremium nicht. Im Vatikan herrscht inzwischen ein großes Misstrauen gegenüber allem, was aus Deutschland kommt; die Verantwortlichen hierzulande fühlen sich missverstanden. Die Situation ist völlig verfahren.
Das mag jetzt total verrückt klingen: Aber es ist immer noch möglich, dass der Synodale Weg ein Erfolg wird. Dafür müssen sich ein paar Dinge ändern. Manche Vorschläge lassen sich morgen umsetzen, manche sind ein bisschen komplexer. Also:
1. Mit Rom, nicht gegen Rom
Das muss man erst einmal hinbekommen: Der Papst ruft "Synodalität" zum Motto seines Pontifikats aus, lässt in der ganzen Welt und in Rom Treffen abhalten, um zu beraten, wie mehr Beteiligung aller Gläubigen in der katholischen Kirche gelingen kann – und die deutschen Katholiken fahren ihr eigenes, großangelegtes Beteiligungsprojekt gegen die Wand. Von Anfang an wurden die Einwände von Papst und Kurie ignoriert oder mutwillig uminterpretiert. Gleich zu Beginn des Projektes schlugen römische Instanzen vor, den Synodalen Weg doch als kirchenrechtskonformes "Plenarkonzil" durchzuführen. Eine solche Versammlung hätte echte, verbindliche Beschlüsse mit Rechtskraft fassen können. Doch in Deutschland zog man es vor, ein Form "sui generis" aufzugleisen. Schon damals warnten Kritiker, dass bei diesem Vorgehen Enttäuschungen vorprogrammiert seien. Auch Kardinal Kasper hat nun zu Recht darauf hingewiesen, dass Synodalität in der katholischen Kirche nicht gegen Rom, sondern nur mit Rom möglich ist. Jetzt, nach dem x-ten Mahnschreiben aus Rom, braucht es eine Kurskorrektur. Ab sofort sollten alle weiteren Schritte in Deutschland in enger Abstimmung mit dem Papst und seiner Kurie getan werden.
2. Kritiker einbeziehen
Die Minderheit der Bewahrer beim Synodalen Weg hat immer wieder darüber geklagt, nicht ausreichend gehört worden, an den Rand gedrängt, gar erpresst worden zu sein. Progressive Teilnehmer hingegen beschwerten sich, dass man den Konservativen zu sehr entgegenkommen sei. Für die Zukunft könnte es trotzdem sinnvoll sein, die Einwände von dieser Seite stärker zu berücksichtigen. Sie ist zwar in der Minderheit, repräsentiert aber die Bedenken der Kurie und von Teilen der Weltkirche, die den Synodalen Weg von Anfang an kritisch beobachtet haben. Wenn man sich mit den Kritikern im eigenen Land nicht einig werden kann, wie soll dann ein Dialog mit Vatikan und Weltkirche gelingen? Und an dem führt kein Weg vorbei. Volker Resing schreibt im Cicero: "Katholische Kirche gibt es nur mit Papst und Bischöfen. Alles andere ist Meuterei oder Revolution."
3. Reform statt Revolution
Apropos Revolution. Einige lautstarke Protagonisten des Synodalen Weges haben eine bombastische Rhetorik der Erneuerung gepflegt, für die alles unterhalb einer völligen Neukonfiguration der katholischen Kirche im Großen und Ganzen als Scheitern erscheinen musste. Diese Revolutionsrhetorik war kontraproduktiv, denn sie diskreditierte das Projekt in den Augen der Bewahrer, der römischen Kurie und großen Teilen der Weltkirche. Wie weit manche Teilnehmer darin gingen, katholische Grundlagen infrage zu stellen, zeigte ein Antrag, der eine knappe Mehrheit im Plenum fand: Die zuständige Arbeitsgruppe möge doch prüfen, ob es das Priesteramt in der katholischen Kirche überhaupt braucht (Ergebnis der Prüfung: Ja). Es stimmt: In die verabschiedeten Texte sind viele der steilen Thesen, die während des Synodalen Weges kursierten, nicht eingegangen – zur Enttäuschung mancher Akteure, etwa des BDKJ-Vorsitzenden Gregor Podschun, der den Synodalen Weg als "im Kern gescheitert" bezeichnete. Für die Zukunft muss klar sein: Veränderungen in der katholischen Kirche funktionieren nicht als abrupte Paradigmenwechsel im luftleeren Raum, sondern müssen im Einklang mit der Weltkirche, im Rahmen des geltenden Kirchenrechts und mit Rückbindung an Schrift und Tradition passieren.
4. Schluss mit der Instrumentalisierung des Missbrauchs
Teil der synodalen Rhetorik war der Bezug auf den Missbrauchsskandal. Kein Wunder: Das ganze Projekt war als Antwort auf dieses Problem initiiert worden. Gelegentlich war in den Versammlungen zu hören: Wer die Veränderungen nicht mittrage, nehme in Kauf, dass der Missbrauch weitergeht. Spätestens mit der Forum-Studie über sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche ist dieser Konnex mit einem Fragezeichen versehen. Lässt sich wirklich die restriktive Sexualmoral der katholischen Kirche für die Vorkommnisse verantwortlich machen, wenn es im Raum der evangelischen Kirche auch Übergriffe in einem Umfeld mit permissiver Sexualmoral gegeben hat? Und kann man die starke Akzentuierung von Hierarchien noch als Faktor heranziehen, wenn in der evangelischen Kirche gleichzeitig die Verantwortungsdiffusion in einer stark partizipativ ausgerichteten Organisation mit flachen Hierarchien ausgemacht wurde? Der Missbrauch taugt nicht als Motor für jede Art von Reformen. Es gibt Reformen, die zur Missbrauchsprävention taugen. Und es gibt Reformen, die man aus anderen Gründen für wünschenswert halten kann, die man aber seriös nicht mit der Verhinderung von sexualisierter Gewalt begründen kann. In Zukunft sollte auf derartige Begründungsfiguren verzichtet werden.
5. Die Realität akzeptieren
Die Kirchengeschichte lehrt, dass Veränderungen auch dadurch eintreten, dass Realitäten geschaffen werden, die erst hinterher eine offizielle Rezeption erfahren. Das war auch der Ansatz beim Synodalen Weg: Fakten schaffen! Der weitere Verlauf zeigte: Das funktioniert im Zeitalter der digitalen Kommunikation offenbar schlechter. Von Rom aus wurde auf jeden einzelnen Schritt reagiert, den man in Deutschland tat. Man begann darum schnell, zwischen Beschlüssen zu unterscheiden, die hierzulande autonom umgesetzt werden können, und "Voten", die an die römische Zentrale geschickt wurden. Nur bestand Uneinigkeit darüber, was vor Ort möglich ist und was nicht. Papst und Kurie halten die Einführung neuer Leitungsgremien offenbar für keine Sache, die die Deutschen für sich entscheiden können. Man kann das anders sehen – aber der Papst ist der Papst. Zum Vergleich: Es steht jedem frei, Urteile des Bundesverfassungsgerichtes zu kritisieren; trotzdem bleibt es die Letztinstanz in der Rechtsordnung der Bundesrepublik. Es hilft darum nicht, trotzig zu reagieren. Das jüngste Stoppschild aus Rom ist eindeutig. Das heißt aber nicht, dass es keine Alternativen für mehr Beteiligung des Kirchenvolkes gäbe. Um es mit Kardinal Walter Kasper zu sagen: "Die Tatsache, dass die Möglichkeit eines Synodalrats, so wie er durch den deutschen Synodalen Weg vorgesehen war, inzwischen definitiv ausgeschlossen ist, bedeutet nicht, dass es nicht andere Möglichkeiten gibt, die mit der Tradition vereinbar sind und sie weiterführen." Im Rahmen des synodalen Prozesses der Weltkirche werde an "konkreten Lösungen" gearbeitet, meint Kasper.
6. Weniger Räte
Es ist auch ein Ausdruck von Hilflosigkeit, dass der deutsche Katholizismus nach jahrelangen hitzigen Diskussionen als Antwort auf die Missbrauchskrise an erster Stelle den Vorschlag präsentiert, neue Gremien zu gründen – und sich angesichts des römischen Widerstands gegen den geplanten "Synodalen Rat" geradezu obsessiv in die Idee verbeißt.
Es ist ja nicht so, dass in der deutschen Kirche ein Mangel an Gremien bestünde. Es gibt – je nach Bistum – Diözesanräte, Diözesanversammlungen, Diözesanpastoralräte oder Diözesankomitees, Diözesanvermögensverwaltungsräte, Diözesankirchensteuerräte und einiges mehr. Vielleicht hat Kardinal Kasper ja recht, und es kommt gar nicht darauf an, zusätzliche Instanzen zu schaffen. Er schlägt vor, man müsse "die Institutionen, die wir in Deutschland bereits oft mehr als genug haben, bündeln, sie weniger bürokratisch und mehr spirituell ausgestalten und damit dem Ziel der Synodalität näherkommen." Kasper kommt aus dem Bistum Rottenburg-Stuttgart. Dort sind seit über fünfzig Jahren der Diözesanrat, der Priesterrat und der Diözesankirchensteuerrat in einem Gremium zusammengefasst. Ordnung in das Gremienwirrwarr in den Bistümern zu bringen, wäre ein sinnvolles Unterfangen – übrigens auch, um jene "Verantwortungsdiffusion" zu vermeiden, die die Forum-Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche als Risikofaktor benannt hat.
Einen "Synodalen Rat" auf Bundesebene wird es nicht geben. Dafür ist das Misstrauen in Rom zu groß und die Situation zu verfahren. Das heißt aber nicht, dass es keine Möglichkeiten gäbe, Reformthemen weiter zu diskutieren und entsprechende Ansätze zu erarbeiten. Wussten Sie, dass es in Deutschland seit den Siebzigerjahren eine paritätisch besetzte Konferenz von Bischöfen und Laienvertretern gibt? Sie heißt "Gemeinsame Konferenz", besteht aus jeweils zehn Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und wurde durch die Würzburger Synode, die von 1971 bis 1975 tagte, ins Leben gerufen. Bisher ist sie nicht durch nennenswerten Output aufgefallen. Was spricht dagegen, in diesem Forum weiterzuarbeiten und auch konkrete und realistische Vorschläge zu erarbeiten? Und vielleicht könnte es man ja auch noch einmal versuchen, über die Blase der Theologen, Funktionäre und Inhaber hoher Ehrenämter hinaus breitere Kreise des Katholizismus in die Diskussion einzubeziehen. Das Internet eröffnet da viele Möglichkeiten.
7. Kill your darlings
Manchmal ist es nötig, sich von bestimmten Lieblingsideen zu verabschieden. Eine solche dürfte das Konzept der "freiwilligen Selbstbindung" sein. Es besagt, dass die Bischöfe Kompetenzen, die ihnen eigentlich kirchenrechtlich zustehen, an ein Gremium abgeben, indem sie versprechen, sich in jedem Fall an dessen Beschlüsse zu halten. Der Bischof gliche dann einem König in einer parlamentarischen Monarchie, die nach dem Prinzip funktioniert: "Le roi règne et ne gouverne pas" – Der König herrscht, aber er regiert nicht. Der Politikwissenschaftler Mariano Barbato hat früh erkannt, was das Problem dieser Idee ist: Der Bischof kann sich nicht in dieser Form binden, weil er schon eingebunden ist, nämlich in die weltweite Gemeinschaft der Bischöfe und in die kirchliche Hierarchie mit dem Papst an der Spitze. Kardinal Kasper betont, dass die Bischöfe "die Kernaufgabe ihres apostolischen Dienstes, das Evangelium und die Lehre der Kirche zu bezeugen" nicht an einen "wie auch immer besetzten Rat delegieren" können. Das stimmt. Aber neben diesen "Kernaufgaben" ist vieles möglich. Faktisch kann kein Bischof in Deutschland irgendetwas im "stillen Kämmerlein" entscheiden. Jenseits der kirchenrechtlichen und dogmatischen Theorie ist er in einen administrativen Apparat eingebunden und einem komplexen Rätesystem verpflichtet, das seinen Handlungsspielraum stark einschränkt. Aber wissen Sie, wie sich die verschiedenen Räte zusammensetzen und wie sie zustande kommen? Nein? Damit wären wir bei Punkt 8.
8. Mehr Transparenz und Repräsentativität
Insbesondere die Zusammensetzung der Diözesanräte ist ein großes Mysterium. Als normales Kirchenmitglied wählt man nur zwei Gremien: den lokalen Pfarrgemeinderat und den Kirchenvorstand bzw. die Kirchenverwaltung (im effizienten Bistum Rottenburg-Stuttgart sind auch diese beiden Instanzen zusammengelegt). Im Diözesanrat sitzen für gewöhnlich Personen, die – wenn ich das richtig verstanden habe – per Delegation von der untersten auf die oberste Räteebene, per Hinzuwahl durch den Diözesanrat selbst sowie per Entsendung aus den verschiedenen katholischen Verbänden zustande kommt. Wie die Beschickung aus den Verbänden verbandsintern entschieden wird, müsste man wohl dort erfragen. Auf der Ebene des Zentralkomitees der deutschen Katholiken wiederholt sich dieses Prinzip. Vollends rätselhaft war die Zusammensetzung des Synodalen Weges. Die COMMUNIO-Kolumnistin Alina Oehler, die selbst Mitglied war, schreibt: "Ich weiß nicht, warum ich dabei war, ich wurde nicht gefragt, ob ich zur Wahl stehen will und ob ich diese annehme." Wenn für die Öffentlichkeit aber kaum nachvollziehbar ist, wie ein Gremium zustande kommt, muss man sich nicht wundern, wenn "normale Katholiken" entweder gleichgültig oder ablehnend auf das reagieren, was dort verhandelt wird.
Mit den Prinzipien der repräsentativen Demokratie hat das existierende Rätesystem wenig zu tun. Demokratisch ist es nur insofern, als dort Abstimmungen stattfinden. Eine Demokratie im Wortsinn einer Volksherrschaft kann die Kirche aus theologischen Gründen ohnehin nicht werden. Aber was würde eigentlich dagegensprechen, die Räte auf Diözesanebene beim eingeübten Termin der Pfarrgemeinderatswahlen direkt zu wählen? So wird es in der evangelischen Landeskirche von Württemberg praktiziert; die Landessynode wählen die Kirchenmitglieder dort direkt per Briefwahl. Es würden sich dann so etwas wie Kirchenparteien bilden. Das hätte den Vorteil, dass die ideologische Homogenisierung durchbrochen würde: Das tatsächliche Meinungsspektrum innerhalb der aktiven Katholiken würde besser abgebildet. Auch am Repräsentationsdefizit des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ließe sich bestimmt etwas machen. Sicher aufwendig, bei einer so alten Institution. Aber immerhin gibt es keine theologischen oder lehramtlichen Vorbehalte gegen eine Reform des ZdK.
9. Keine Tricks
Ein Grund für die Vertrauenskrise zwischen Deutschland und Rom sind die trickreichen Uminterpretationen und rhetorischen Mogelpackungen im Zusammenhang mit dem Synodalen Weg. Mahnungen aus Rom wurden zur Ermutigung uminterpretiert, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Ein und dieselbe Maßnahme wurde der einen Seite als revolutionärer Paradigmenwechsel und der anderen Seite als völlig harmlose, kirchenrechtskonforme Weiterentwicklung verkauft. Ein Beispiel aus jüngster Zeit: Ein geplanter "Gemeinsamer Rat" im Bistum Essen wird zunächst neuartiges synodales Mitbestimmungsgremium angekündigt; nach Kritik teilt ein Sprecher mit, es handle sich dabei eigentlich um den seit Jahrzehnten vom Kirchenrecht vorgesehen Diözesanpastoralrat. Wer soll hier an der Nase herumgeführt werden? Es braucht endlich offene und ehrliche Kommunikation. Sophismen und Winkelzüge schaden der Glaubwürdigkeit.
10. Führungswechsel
Derzeit läuft ein Dialog zwischen den zuständigen Instanzen der päpstliche Kurie und Vertretern der Deutschen Bischöfe über die Themen des Synodalen Weges. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing aus Limburg, beklagte sich bei der Eröffnungspressekonferenz der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe in Augsburg, es dauere bis zu einem halben Jahr, bis man auf Terminanfragen eine Antwort aus Rom erhalte. Der Vatikan sei also schuld daran, dass die Gespräche nicht richtig in Gang kommen. Ist Bischof Bätzing wirklich der richtige Mann für den Job? Er hat offenbar keinen direkten Draht in den Vatikan, geschweige denn zum Papst – und hat sich auch nicht mit den Episkopaten der Nachbarkirchen abgesprochen. In der jetzigen Krise wäre es besser, wenn die Bischofskonferenz von einer Person geführt würde, die Italienisch spricht und über Kontakte in die Kurie verfügt. Zwei Bischöfe kommen da in Frage: der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer und der Augsburger Bischof Bertram Meier. Doch eine Palastrevolte hat in Augsburg offenbar nicht stattgefunden. Trägt die Mehrheit der Bischöfe den bisherigen Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Kurs also weiter mit? Vielleicht denken sie ja noch mal drüber nach.