Theologie und Naturwissenschaften stehen nicht im Verdacht, strategische Allianzen zu bilden. Die Kirchengeschichte kennt zu viele Beispiele, die von einem gegenseitigen Argwohn oder gar einer Ablehnung gekennzeichnet sind. Es gab (und gibt) die frommen Verächter gegenüber einer rein immanenten Welterklärung ohne Gott, dagegen stehen die aufgeklärten Skeptiker, denen bereits das Wort "Transzendenz" unheimlich erscheint.
Ein Blick auf solche gegenseitigen Abwehrreflexe zeigt allerdings, dass das angespannte Verhältnis von unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Voraussetzungen und unterschiedlichen Weltbildern herrührt. Jedes Weltbild ist aber sekundär und bleibt hinter der ganzen Wirklichkeit zurück, da es eine Wertung auf etwas Vorausliegendes ist. Theologen und Naturwissenschaftler reden oft aneinander vorbei. Sie können sich auf dasselbe Thema beziehen, doch der Ausgangspunkt und das Ziel ihrer Erklärungen sind wegen ihres Wirklichkeitsverständnisses unterschiedlich gelagert.
Die Verkündigung an Maria, dass sie Mutter des Gottessohnes werden soll und damit der Beginn der Menschwerdung gesetzt ist, ist in den Augen vieler Zeitgenossen eine fromme Erzählung, die entmythologisiert werden muss, um richtig verstanden werden zu können. Kann das Natürlichste der Welt auf übernatürliche Weise geschehen?
Bei der Parthenogenesis, der jungfräulichen Geburt Jesu aus Maria, dürfte dies der Fall sein. Die Verkündigung an Maria, dass sie Mutter des Gottessohnes werden soll und damit der Beginn der Menschwerdung gesetzt ist, ist in den Augen vieler Zeitgenossen eine fromme Erzählung, die entmythologisiert werden muss, um richtig verstanden werden zu können. Kann das Natürlichste der Welt auf übernatürliche Weise geschehen? Möchte der Glaube an die Menschwerdung des Sohnes die Grenzen menschlichen Verstehens sprengen?
Wer meint, dass mit der jungfräulichen Empfängnis die Naturgesetze außer Kraft gesetzt werden, sagt zu viel und zu schnell etwas über den Glauben; wer dagegen das Glaubensgeheimnis als Unmöglichkeit abtut, denkt zu gering über Gottes Handeln und steht in der Pflicht, das Unmögliche als unmöglich zu beweisen.
Schöpfung und Neuanfang
Dem Glauben an die jungfräuliche Empfängnis geht es nicht einzig um den historischen und biologischen Ursprung. Kern der Glaubensaussagen ist der prinzipielle Neuanfang.
Die Verkündigungsszene ist parallel zum Schöpfungsbericht gestaltet. Der Geist Gottes schwebt über den Wassern (Gen 1,2) und der Geist als Kraft des Höchsten (Lk 1,35) erfüllt Maria, so wie er in der Wüste sein Volk in der Gestalt der Wolke begleitet und führt (vgl. Num 10,34). Es geht nicht darum, wie Jesus gezeugt, sondern dass der Gottessohn geboren wurde (Mt 1,16). Die alte Schöpfung soll in der Menschwerdung erneuert und der Mensch soll zu seiner eigentlichen Würde gebracht werden. Daher weisen die neutestamentlichen Stammbäume Jesus als Nachkommen Abrahams (Mt 1,1) und Adams (Lk 3,38) aus. Der Gottessohn ist mit Abraham als Vater aller Glaubenden hineingenommen in den Bund Gottes und mit Adam in die Wirklichkeit menschlichen Lebens.
Der Schöpfungsbericht der Bibel ist keine chronologische Reportage über die Entstehung unseres Universums und des irdischen Lebens. Nicht der zeitliche Beginn steht im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern der grundlegende Ursprung. Mit der Schöpfungserzählung wird gesagt, dass die Wirklichkeit von Gott gewollt und ermöglicht ist und dass sein Lebensprinzip in der Welt sowie in der Geschichte gegenwärtig ist. Darum ist der Mensch auf Gott bezogen und kann in den Bund mit ihm eintreten. Der Glaube an Gott und seine Gegenwart entscheidet sich nicht an der Biologie oder Paläontologie, sondern an der personalen Beziehung zu dem Gott, der in Jesus Christus Mensch geworden ist.
Die Frage danach, wie Gott Mensch werden kann, findet primär ein Zeugnis im biblischen Gottesbild und nicht so sehr in der biologischen Möglichkeit oder Unmöglichkeit. Den biblischen Texten geht es nicht um die Frage, wie es geschehen kann, dass Maria zur Gottesmutter wird, sondern die Tatsache der Gottesmutterschaft ist der cantus firmus der Erzählungen.
Gott wendet sich dem Menschen nun so zu, wie er selbst ist. Die geist-leibliche Verfassung des einen Menschen spiegelt sich in dem, der den Menschen in seiner Gebrochenheit und im Tod zum Leben erlösen wird, weil er menschliche Natur angenommen hat. Der Gottmensch Jesus von Nazareth ist der prinzipielle Anfang der Neuschöpfung und der Rettung des Menschen, da er nicht aus einem zeitlichen Beginn durch menschliche Zeugung stammt, sondern aus der Schöpfermacht Gottes selbst. Jesus ist der geisterfüllte Mensch, der sich aus der Beziehung zu seinem himmlischen Vater her versteht. Es entspricht dem Willen seines Vaters, die menschliche Gebrochenheit und ihre Verwundungen zu wandeln. Als dieser Mensch, in dem sich Gott in der Geschichte selbst zeigt, ist er der Immanuel, der Gott-mit-uns (Jes 7,14; Mt 28,20), in dem und durch den alle Menschen nun zu Gott sagen können: "Vater unser im Himmel".
In Gott ist Beziehung und Gott ist Beziehung
Die christlichen Kirchen feiern mit dem 1700-jährigen Jubiläum des Konzils von Nizäa, dass der Sohn dem Vater gleichwesentlich ist. Der biblische Glaube an Gott, den das Glaubensbekenntnis von Nizäa in eine doxologische Sprache verdichtet, transformiert den philosophischen Gottesbegriff, wenn es festhält: In Gott ist Beziehung und Gott ist Beziehung. Diese Wirklichkeit spiegelt sich in Welt und Geschichte. Maria empfängt vom heiligen Geist den Sohn, worin sich nun Gott als Beziehung schenkt, die er im Sohn ist. Es ist daher nicht eine Frage des natürlichen oder übernatürlichen Handelns, sondern des göttlichen Wirkens, das die Kategorien von Immanenz und Transzendenz nochmals übersteigt. Gott teilt sich selbst unmittelbar mit.
Göttliches Handeln ist kausal nicht gänzlich zu erklären, es ist vielmehr ein Handeln, das relational zu bestimmen ist. Dem Glauben an den Schöpfergott, der aus dem Nichts, also aus seinem Willen und seiner Freiheit die Welt erschafft (creatio ex nihilo), entspricht das Bekenntnis des nizänisch-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses an die direkte und unmittelbare Menschwerdung durch Maria (creatio ex Maria virgine).
Die Menschwerdung des Sohnes als Ausdruck der göttlichen Beziehung zwischen Vater und Sohn erklärt sich nicht eindimensional aus der Verschmelzung einer Ei- und einer Samenzelle. Es ist das innovatorische Heilshandeln Gottes, um die göttliche Beziehung dem Menschen in seiner Lebensgeschichte anzubieten. Das Verhältnis, das nun Gott mit den Menschen eingeht, kann von einem Geschöpf nicht erlernt oder nachträglich zugesprochen werden. Der Gott-Mensch Jesus Christus muss von Anfang an diese Beziehung sein. Der Sohn ist vom Vater her, auf den Vater hin und er ist mit dem Vater gleich, das zeigt sich in seinem menschlichen Leben.
Im Glauben daran, dass Maria ohne menschliche Zeugung den Gottessohn zur Welt bringen konnte, spiegelt sich der Glaube an die Selbstmitteilung Gottes, die den ganzen Menschen als geist-leibliches Wesen unbedingt angeht.
Für Karl Barth, dem Kirchenvater reformatorischer Theologie, stand fest, dass die Parthenogenesis Ausdruck dafür ist, dass Inkarnation Tat Gottes ist und die Welt sowie der Mensch sie empfangen können. Im Glauben daran, dass Maria ohne menschliche Zeugung den Gottessohn zur Welt bringen konnte, spiegelt sich der Glaube an die Selbstmitteilung Gottes, die den ganzen Menschen als geist-leibliches Wesen unbedingt angeht. Die Gottesrede fasst ins Wort, dass Gott sich in der Welt zeigen und aussprechen kann. Dies betrifft die Sphäre des Natürlichen und zeigt, dass sich der Geist im Natürlichen ausdrückt.