Harte Kritik von außen, die Kontexte nicht zu berücksichtigen scheint, schmerzt und reizt
zum Widerspruch. Kritik hilft aber auch, Reflexionen anzustoßen, um Veränderungen
voranzutreiben. Nun kann man den katholischen Akademien nicht den Vorwurf machen, sie
würden sich keiner Selbstreflexion unterziehen: In den Sitzungen des Leiterkreises katholischer Akademien in Deutschland wird regelmäßig der Austausch über Strukturen
innerhalb der Diözesen, über Inhalte und Ziele der je verschieden (historisch) geprägten und
durch Ort, Tradition und Personen unterschiedlich arbeitenden Akademien gerungen. Keine
Beliebigkeiten, keine sorglosen Elfenbeintürme, sondern brennende Themen in einer
postsäkularen Gesellschaft und einer problembelasteten Kirche werden diskutiert. Dabei wird außerdem stets
die Frage aufgeworfen, wie heute Menschen anzusprechen sind, die offenbar jedwede
Verbindung zum institutionellen, besonders jedoch zu kirchlichen Kontexten, zu verlieren
scheinen. Wie soll man zudem Sinnsuchende erreichen, die zu in einer Gesellschaft im Umbruch und einer Religion im
Wandel keinen Kontakt mehr verspüren, ja, die sich selbst ort- und heimatlos vorfinden und
nach Orientierung suchen?
Dabei liegen die Probleme der Akademien auf einer strukturellen und auf einer inhaltlichen
Seite:
Strukturen haben dienenden, nicht herrschenden Charakter. Eine sich zunehmend nur
noch verwaltende Kirche ist nicht zukunftsfähig. Bleibt in einer hierarchischen Kirche der Wille des Bischofs entscheidende Bedingung des Gedeihens seiner Akademie, lädt
er zu Programmgesprächen und gibt im besten Falle der Akademie einen Auftrag, der sich im
rechten Verständnis von Bildung und Freiheit innerhalb eines vom christlichen Geiste
getragenen Gottes-, Schöpfungs- und Menschenbildes bewegt, so ist auch die von ihm
bestimmte Personalpolitik seiner Abteilungsleiter entscheidend, denn diese berufen den
Akademiedirektor bzw. die -direktorin sowie die Studienleitenden. Fällt die Wahl nicht auf Theologen und
Philosophen, so wird es schwer werden, eine christlich-katholische Akademie, in der Jesus
Christus im Zentrum steht, inhaltlich zum Blühen zu bringen. Die Akademieleitung sollte eine Art Libero innerhalb der in den Ordinariaten stark aufgeblähten Hierarchieebenen sein,
sollte direkten Zugang zum Bischof haben, mit ihm im ständigen Gespräch über Struktur,
Zielsetzung und vor allem Themen der Akademie sein.
Leider meint man, durch Ausgliederungen, durch Gesellschaften u.ä. langfristig die Häuser retten zu können: Dann allerdings verlieren sie als bloße Veranstaltungs- oder Übernachtungsstätten ihre Identität.
Einseitig betriebener "Pastorativ"
Ein wichtiges strukturelles Element ist der Ort, das Haus: Bei wachsenden Ängsten vor
Bedeutungs- und Geldverlust infolge der stets anwachsenden Austrittswelle verschiebt sich
leicht die Perspektive der Bistumsleitungen auf reines Ökonomiemanagement und lässt
dabei die eigentlichen Aufgaben von Kirche und Akademie aus dem Blick geraten. Haus und
Akademie sollten unbedingt eine Einheit bilden, der Akademiedirektor bzw. die -direktorin sollte zugleich
auch den im Haus arbeitenden
Menschen vorgesetzt sein und bestimmen, wohin die Reise geht. Ist das nicht der Fall und werden sie
von der Hausleitung entbunden, sind sie lediglich "Johann/a ohne Land", Spielbälle
pekuniärer Interessen und haben keinen Stand innerhalb des Gefüges eines kirchlichen
Hauses. Leider meint man, durch Ausgliederungen, durch Gesellschaften und ähnliches langfristig die Häuser retten zu können: Dann allerdings verlieren sie als bloße Veranstaltungs- oder
Übernachtungsstätten ihre Identität, das Prägemal der Akademie rückt allenfalls in die zweite
Reihe, Geschäftsführer/innen ohne theologisches Interesse bestimmen die Richtung. Die
Auseinandersetzungen in den Krankenhäusern sind hierfür beredte Beispiele eines Irrweges.
Strukturen sollen dienen, nicht herrschen, sie sollen die Inhalte freisetzen, sie dürfen nicht
Inhalte zu ersetzen meinen.
Eine nächste Hürde baut sich für die kirchliche Bildungsarbeit in einem einseitig betriebenen
"Pastorativ" auf, welcher meint, durch die Schaffung neuer pastoraler Räume Reste
sicherstellen zu können und damit Mängel zu verwalten. Allzu leicht werden gewachsene
Traditionen, 1000 Jahre alte Pfarreien über Nacht aufgelöst; doch: Wachsen christliche
Gemeinden nicht in kleinen Zellen? Werden nicht über Strukturdebatten oder über bloße
formale Fortbildungsmaßnahmen die Gutwilligen abgeschreckt, die Suchenden in die Flucht
geschlagen und die Bildungsarbeit an den Rand gedrängt? Wenn der Kern des Christlichen,
wenn Christus selbst nicht mehr im Mittelpunkt steht, wenn das Glaubensleben den
Strukturen zum Opfer fällt, ja wenn die Vermittlung theologischer Inhalte nicht Zentrum
gemeindlicher wie kategorialer Seelsorge und Bildungsarbeit ist, Theologie nicht die Mitte
des Auftrages ist, verlieren Kirche und ihre Einrichtungen ihren Sinn. Wem nutzt eine
kirchliche Pastoral, wem eine kirchliche Akademie ohne Theologie und in ihrem Vorhof eine
neu bedachte Metaphysik?
Konkurrenzkompetenz ist angesagt. Bei aller Beachtung der sich aktuell stellenden Probleme bedeutet dies für die katholische Akademie, dass sie zeitgemäß die Schätze hebt, die das Christentum ihr bietet.
Profilbildung
Laufen wir Zeitströmungen hinterher, so werden wir immer verlieren, nichts wirkt schlimmer
als Angepasstheit. Heimatlose gewinnen wir nur, wenn wir ihnen eine Heimat bieten. Worin
besteht der Kern, das Profil der katholischen Akademie? Aufmerksamkeit und Anerkennung
erfahren wir dann, wenn wir erkennbar sind und authentisch bleiben, das heißt Jesus Christus je
neu ins Gespräch bringen, Glaubenserfahrungen ermöglichen helfen. Konkurrenzkompetenz ist angesagt. Bei aller Beachtung der sich aktuell stellenden Probleme
bedeutet dies für die katholische Akademie, dass sie zeitgemäß die Schätze hebt, die das
Christentum ihr bietet. Die recht verstandene Tradition als eine "Dynamik von Bewegtheit
und ständiger Bewegung" vermeidet Traditionalismen und Integralismen. Kleiner gewordene
Zahlen müssen nicht nur die Gottesdienste verkraften, auch die Akademien gruppieren sich
in kleiner gewordenen Kreisen.
Wenige Beispiele, die sich mühelos vervielfältigen lassen:
Die Kirchenväter sind keine verstaubten Figuren der Historie, oft sind sie Grenzgänger des Glaubens, Gottsucher in ihrer Zeit. Denken wir nur an Origines und die Frage nach der "Apokatastasis panton"! Kann das Thema der "Allerlösung" heute nicht in vielen Facetten lebendig gemacht werden? Lassen wir uns doch von der Tugendethik des Thomas anregen, um die anthropologischen Grundlagen einer zeitgemäßen Ethik zu diskutieren, um das Leben so in Form zu bringen, wie dies etwa in unseren Tagen Hans-Joachim Höhn mit seiner Existenzialpragmatik tut? Lassen
wir uns von einem so schwierigen Denker wie Meister Eckhart inspirieren, um die Mystik zu
verstehen und gegenwärtige Strömungen esoterischer Art zu entlarven?
Zu einer Balthasar-Tagung kommen nicht mehr – wie dies noch vor wenigen Jahren der Fall war – 80 Personen,
sondern vielleicht nur 20. Verschweigen wir allerdings die Kraft seiner Theologie der "Herrlichkeit", so wird sie bald versanden. Gleiches gilt für die Theologie des
Geheimnisses Karl Rahners: Der "Grundkurs des Glaubens", ein schwieriges Werk, lässt sich
behutsam mit Interessierten aufschließen. Einführend weckt man das Interesse mit den
"Alltäglichen Dingen", mit "Hörer des Wortes" oder mit dem "Großen Kirchenjahr".
Nikolaus
von Kues auf die Weise eines Universalgenies zu präsentieren, macht Menschen neugierig.
Schließt man eine Akademiefahrt nach Südtirol an, besucht die Originalschauplätze, etwa
Brixen, das Pustertal mit Bruneck, so gelingt auch eine gute Einführung in das Gott-Denken
des Cusaners: Die "Drei Schriften vom Verborgenen Gott" bieten sich genauso an wie die
situationsbezogene Einführung in die mystische Theologie, "De Visione Dei". Lässt sich nicht
mit Henri de Lubac "Auf den Wegen Gottes" zu gehen, um die Gottesfrage neu zu stellen,
oder mit "Catholicisme" ("Glauben aus der Liebe") die "Trag-Weite" des Katholischen
verheutigen?
Mit einer Gruppe von 15 Teilnehmern lässt sich wunderbar das zentrale Werk
Guardinis, "Der Herr", lesen oder die Machtfrage diskutieren. Die Gedanken großer Denker
haben bleibende Bedeutung. Warum nicht dem "hölzernen Eisen" der Möglichkeit einer
christlichen Philosophie nachgehen, die Frage nach der Berechtigung eines neuen
Heidegger-Verständnisses nach den "Schwarzen Heften" stellen, wie dies Kardinal Lehmann
in und mit seiner Akademie noch tun wollte? Dann über die Geschichte des Antisemitismus
ins Gespräch zu kommen, um die Geschwisterlichkeit zwischen dem Judentum und dem
Christentum zu unterstreichen, bleibt ein Auftrag für uns Christen. Luther heute lesen und
mit ihm in die Ökumene einsteigen ist eine unverzichtbare Aufgabe der Akademien.
Akademien als Glaubens-, Denk- und Kulturstationen
Grundierung aller Bemühungen ist jedoch das Verstehen der Bibel als Heilige Schrift des Christentums: Deshalb sollten Bibelwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in der Akademie eine fundierte "lectio divina" anbieten, vielleicht mit einem Hebräisch-Sprachkurs. Der Erfolg wird
sich zeitnah einstellen. Warum nicht die Bedeutung der Sakramente neu ins Gespräch
bringen und dabei gerade Sinn und Weite gerade der Eucharistie als Fortsetzung und
Verlängerung der Inkarnation, die Bedeutung des "Christus in mir" für das Leben des
Menschen neu aufschließen? Bestätigend ist nach einer Veranstaltung dann die gemeinsame
Feier der Eucharistie in der Hauskapelle. Wer außer den Akademien hat eine solche
Möglichkeit? Die Menschen spüren instinktiv, wenn Substanz und Überzeugung zusammenklingen, wenn
die Sinnfrage und die Frage nach der Vollendung des Menschen glaubhaft gestellt wird.
Die Akademien sind nicht nur Denkwerkstätten der Bistümer, sondern zugleich auch wichtige
Kulturstationen: Literatur, Musik und Malerei präsentieren sie in ihren Räumen. Einen
Künstler wir Markus Lüpertz einzuladen, um mit ihm ins Gespräch zu kommen, ist ein für
Teilnehmende der Akademie ein bleibendes Erlebnis. Kunstgeschichtliche Vorträge und
Exkursionen gehören ebenso zum Programm wie qualitätvolle Konzerte. Dabei lassen sich
ungemein viele Netze in einem Bistum spannen: Die Orgel als sakrales Instrument verfügt
über viele Register, die dem Menschen unter die Haut gehen.
Im Mittelpunkt aller Veranstaltungen stehen Kreuz und Auferstehung Jesu Christi.
Die Akademien sollten selbstbewusst in der Diskussion mit den Ordinariaten die Frage nach
der Möglichkeit mehrtägiger Exkursionen stellen, denn diese sind intensive, unvergleichlich
fruchtbare "Tagungen auf Rädern", die bindende Kraft entwickeln: eine Romfahrt mit Interessierten inklusive einem kurzen Zusammentreffen mit dem Papst bleiben lebenslang in
Erinnerung. Eine Orgelfahrt rund um den Bodensee, nach Oberschwaben oder ins Elsass
bietet einen ästhetischen Genuss, die den Menschen in seinem Alltag stärkt. Im Mittelpunkt aller Veranstaltungen stehen Kreuz und Auferstehung Jesu Christi: Verheutigen
lassen sich die zentralen Themen etwa mit dem neuen Werk von Jan Heiner Tück "Crux.Über die Anstößigkeit des Kreuzes".
Die wenigen Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, wie wichtig Profilbildung in der katholischen Akademie in Tagen des heftigen Gegenwindes aussehen kann, nicht aus
besserwisserischem Oberlehrertum vorgeschlagen, sondern aus der tiefen, bleibenden
Sympathie der Akademie gegenüber. Die Augen des Glaubens erkennen den Sinn für das
Heilige, lassen den tiefen Grund erspüren, wie in der Immanenz das Transzendente
aufleuchten kann.