Diakonia 4/2022

Heft 4/2022Interreligiöser Dialog

Inhalt
1. Auflage 2022
Bestellnummer: Z060041
Erscheinungstermin PDF: 2022
Bestellnummer PDF: D100723

Mit seinem Satz, dass der Islam inzwischen auch zu Deutschland gehört, erregte der damalige Bundespräsident Christian Wulff im Jahr 2010 noch Aufsehen und spaltete die Gemüter der Nation. Damals wurde seine Aussage als ein Kontrapunkt zu dem von einigen Politikern leidenschaftlich vertretenen Diktum einer christlichen Leitkultur empfunden. Ein Jahrzehnt später haben sich die gesellschaftlichen Diskurse in Deutschland wesentlich geändert. Statt rückwärtsgewandt dem Ideal von einer einzigen Leitkultur anzuhängen, wird Kultur heute eher als fluide, fragil sowie divers wahrgenommen und wertgeschätzt.

Zur Soziodiversität gehört in Deutschland nicht zuletzt die Koexistenz von Menschen mit verschiedenen religiösen Bekenntnissen. Da die Religionszugehörigkeit für viele Menschen ein wesentliches identitätsstiftendes Merkmal ist, kommt ihr für das Zusammenleben in der Gesellschaft eine große Bedeutung zu. Relevant für die Gesellschaft in Deutschland sind dabei – schon aufgrund ihres Anteils an der Gesamtbevölkerung – insbesondere die Muslime. So leben etwa 4,5 Millionen Muslime in Deutschland. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung beträgt circa 5,5 Prozent. Der weitaus größte Teil der Muslime in Deutschland (mehr als 50 Prozent) hat einen türkischen Migrationshintergrund, fast jeder fünfte Muslim (17 Prozent) kommt aus dem weiteren Vorderasien. Auch mit Blick auf die derzeitige und künftige Zuwanderung kommt den Muslimen eine besondere Bedeutung zu.

Das friedliche Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlich geprägten (religiösen) Identitäten ergibt sich nicht von selbst, sondern muss immer wieder neu gewollt, angestrebt und eingeübt werden. Spätestens nach dem vom Zweiten Vatikanum in Nostra aetate formulierten Paradigmenwechsel bemüht sich die katholische Kirche in vielfältiger Weise, einen Dialog mit dem Islam und mit den Muslimen zu führen. Erinnert sei hier nur an das von Papst Franziskus und Großimam Ahmad Mohammad Al-Tayyeb im Februar 2019 in Abu Dhabi unterzeichnete »Dokument über die Geschwisterlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt«. Der geschwisterliche Dialog steht im Zentrum der Beiträge in dieser Ausgabe der Diakonia. Sie laden dazu ein, sich für den interreligiösen Dialog mit dem Islam als einer der abrahamitischen Religionen zu öffnen.

Über diese Ausgabe

Berichte und Diskussionen

  • Plus S. 284-287

    Zum Tod von Rolf ZerfaßMacht und Leitung, Dienst und Gnade

    Rolf Zerfaß war einer der »bedeutsamsten Pastoraltheologen der Nachkonzilszeit « (Maria Widl). Nicht nur katholische und evangelische Pastoraltheologie und Homiletik, sondern Theologie und Kirche insgesamt verdanken ihm unschätzbar viel. Mehr als vierzig Jahre hat er ihre Diskurse nicht nur mit seinen kreativen und innovativen Eingaben bereichert, sondern auch entscheidende Weichenstellungen angestoßen.

Thema

  • Plus S. 218-226

    Alles bleibt andersTransformationen im christlich-islamischen Dialog

    Der Begriff »Transformation« scheint zurzeit (nicht nur) die religiöse Signatur in Europa und damit in Deutschland zu sein. In den beiden Großkirchen gibt es massive strukturelle Umbauten, die mit einem immensen Verlust an Gläubigen und damit verbunden an finanziellen Einnahmen zu tun haben. Gleichzeitig sinkt, trotz der vielfältigen Bemühungen der Bistümer und Landeskirchen, Menschen für kirchliche Berufe anzusprechen und zu gewinnen, die Zahl der hauptberuflichen Mitarbeiter*innen, so dass immer mehr Aufgaben auf Ehrenamtliche übergehen bzw. übergehen sollen.

  • Plus S. 227-234

    Neue Herausforderungen des christlich-islamischen Dialogs in der PraxisReligiöse Diversität im gesellschaftspolitischen Konflikt

    Katholischer Islamdialog wird heute in Deutschland von einer kulturell diversen Kirche im Kontext der Migrationsgesellschaft und entlang praktischer Fragen geführt: Wie viel Interreligiosität und Interkulturalität braucht ein ›christlich geprägtes Verständnis von Integration‹? Aber auch die ›Gretchenfrage‹ bleibt aktuell, wie man’s denn theologisch halten mit der Religion des Islam. Papst Franziskus legt dabei seine eigene Lehre als ein ›learning from religion‹ an und unternimmt gemeinsame Schritte auf Augenhöhe mit dem Großimam der al-Azhar-Universität Kairo. Selten war Islamdialog theologisch so spannend. Von rechten Identitären wird dem Papst deswegen »Verrat an der deutschen Nation« vorgeworfen, denn mancher Verschwörungsmythos sieht den Islamdialog als Werkzeug des ›great reset‹. Selten war Islamdialog politisch so spannend.

  • Plus S. 235-245

    Christen und Muslime als Partner im DialogDer Gesprächskreis "Christen und Muslime" beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken

    Mehr als 30 Jahre liegen zwischen der Veröffentlichung der Konzilserklärung Nostra aetate, die von der letzten Vollversammlung des Zweiten Vatikanischen Konzils verabschiedet wurde und das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen neu bestimmte, und der Gründung des Gesprächskreises »Christen und Muslime« beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

  • Plus S. 246-251

    Interreligiös unterwegs zwischen Pfarrei und BistumPerspektiven eines Dialogs um Wandel

    Die christlich-islamische Gesellschaft feiert in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bestehen. Fast zeitgleich ebenfalls zum 40-jährigen Bestehen werden wir uns bei den »Journées d’Arras« über die Zukunft dieser eher informellen Konferenz Gedanken machen, die sich – selbst ökumenisch und europäisch zusammengesetzt – über den christlich-islamischen Dialog in Europa austauscht.

  • Plus S. 252-261

    Religionsfreiheit als gemeinsame HerausforderungEine christlich-muslimische Suche

    Weltweit sind Angehörige aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in ihrer religiösen Freiheit bedroht. Zugleich gehören Menschen verschiedener religiöser und weltanschaulicher Orientierungen zu denjenigen, die die Religionsfreiheit gefährden und verletzen. Vor diesem Hintergrund erscheint ein interreligiöses Engagement für die Verteidigung dieses grundlegenden Menschenrechts besonders wichtig.

  • Plus S. 273-283

    Christlich-islamischer Dialog in DeutschlandZu den Grundlagen, der Struktur und der Arbeit von CIBEDO

    »›Ich bin Deutsche und Muslima‹, ›Ich bin Deutscher und Muslim‹ – diese beiden Sätze sind für Millionen von Menschen in unserem Land Teil ihres Selbstverständnisses und, mehr noch als das, täglich gelebte Wirklichkeit. Diese Menschen leben mit ihren Familien hier, arbeiten hier, zahlen Steuern, ziehen ihre Kinder groß, engagieren sich in Vereinen und politischen Parteien, kurz und in meinen Worten: Sie gehören einfach dazu!«.