Du hast den Blog „Mama lauter!“ (mama-lauter.de) ins Leben gerufen. Was kann man darauf lesen?
Thomas Hartmann (TH): Bei „Mama lauter!“ schreibe ich Rezensionen über aktuelle Musikproduktionen für Kinder und stelle verschiedene Künstler:innen und Bands aus der Gattung Kindermusik vor. Das Angebot ist in den letzten Jahren sehr groß und zugleich ziemlich unübersichtlich geworden. Doch längst nicht alle Produktionen sind auch qualitativ überzeugend. „Mama lauter!“ möchte vor allem Eltern, aber natürlich auch Pädagog:innen bei der Entdeckung guter Musikangebote für ihre Kinder unterstützen und bestenfalls in der ganzen Familie die Begeisterung für die lebendige und überaus vielfältige Sparte Kindermusik wecken.
Was ist für dich gute Kindermusik?
TH: Auf den Punkt gebracht würde ich sagen – die Musik, die mit der gleichen Sorgfalt, technischen Professionalität und künstlerischen Ambition umgesetzt ist, wie Musik für Erwachsene auch. Über den Anspruch von „Erwachsenenmusik“ lässt sich aber natürlich genauso gut streiten, wie über das Niveau von Kindermusik. Darum bin ich bemüht, für meine Rezensionen objektive Kriterien anzulegen. Die sind zum Teil recht banal: Haben die Lieder einen Bezug zur Lebenswelt von Kindern? Beherrschen die Musiker:innen ihre Instrumente? Wurden für die Produktion überhaupt Instrumente verwendet? Wie ist das Artwork der Platte gestaltet? Aber auch: Mit welcher Haltung richten sich die Künstler:innen an Kinder? Sind sie in ihrem Auftreten authentisch? Welches Kindheitsbild vermittelt sich durch die Themen und Texte ihrer Lieder? Am Ende bleibt jedes Urteil über „gute“ oder „schlechte“ Kindermusik sicher subjektiv eingefärbt. Für viele Eltern sind meine Texte aber eine Orientierungshilfe – mehr kann und möchte „Mama lauter!“ auch gar nicht sein.
Warum setzt du dich für gute Kindermusik ein?
TH: Meine Motivation lässt sich aus persönlicher, wie auch aus professioneller Perspektive erklären. Als Medienpädagoge und Kulturwissenschaftler liegt der Fokus meiner Arbeit schon lange bei Medienangeboten für Kinder. Fast zehn Jahre habe ich in der Musikredaktion des WDR-Kinderhörfunks gearbeitet. Diese Zeit hat meine Expertise für das Feld Kindermusik ohne Zweifel sehr geprägt. Bis heute ist es mir ein Anliegen, Kinderkultur zu fördern und Lobbyarbeit vor allem für die Angebote zu machen, die in der Öffentlichkeit nicht so sichtbar sind – und das betrifft unter anderem eben auch die Kindermusik, die noch immer unter einem sehr schlechten Ruf leidet. Persönlich habe ich Musik schon während meiner eigenen Kindheit und Jugend als eine Kunstform erlebt, dir mich emotional geerdet und mein Leben in vielen Dimensionen bereichert hat. Nicht nur passiv als Fan, sondern auch aktiv als Musiker in verschiedenen Ensembles und Bands. Diese Erfahrungen empfinde ich bis heute als ein großes Privileg. Auch deshalb ist es mir ein Anliegen, dass Kinder möglichst früh positive Erfahrungen mit Kunst und Kultur machen können. Denn die Erfahrungen aus dieser Zeit prägen oft das ganze Leben.
Mein Name ist Thomas Hartmann.
Ich leite das Deutsche Kinder- und Jugendfilmzentrum (www.kjf.de).
Das kann ich besonders gut: Rezensionen über Kindermusikproduktionen schreiben.
Deshalb höre ich noch heute Musik für Kinder: Weil sie musikalisch genauso interessant sein kann wie Musik für Erwachsene. Und weil sich meine erwachsene Seele immer wieder gerne vom kindlichen Blick auf die Welt berühren lässt.
Mein Lieblingskindersong: Eigentlich gibt’s da zu viele, als dass ich eines hervorheben könnte oder wollte. Aber weil ich Posaunist bin: „Geräusche“ von Moop Mama (veröffentlicht auf „Unter meinem Bett 7“). Leider hat die Brass-Band bislang nur dieses eine Kinderlied produziert.
Wenn ich selbst singe, dann klingt das gar nicht so übel, würde ich sagen. Manchmal nehme ich sogar eigene Songs auf, aber das ist eher ein privates Vergnügen.
Als Kind habe ich diese Musik besonders gern gehört: Der Klassiker – Rolf Zuckowski. Viele Jahre habe ich mich sehr dafür geschämt. Heute wiederum ist mir diese Scham unangenehm, denn ich habe sehr großen Respekt vor der Lebensleistung dieses für die Gattung Kindermusik so wichtigen Künstlers.
Mein letztes Konzert war interessanterweise eines von der oben erwähnten Brass-Formation Moop Mama. Durch Zufall erfuhr ich davon, dass die Band anlässlich des NRW-Tags 2024 umsonst und draußen in ehrwürdiger Kulisse vor dem Kölner Dom spielen würde. Das Spektakel kann man sich als in Köln lebender Posaunist nicht entgehen lassen. (Am selben Tag stand ich übrigens beim Kölner Kindermusiker Johannes Stankowski vor der Bühne. Auch das war sehr schön.)
Diese Musik sollte jede pädagogische Fachkraft schon einmal gehört haben: Da möchte ich keine konkreten Vorgaben machen, verweise aber gerne auf die vielen Künstler:innen, die ich bei „Mama lauter!“ vorstelle.
Was sollte jedes Kind einmal gehört haben: Auch hier möchte ich ungern eine Band hervorheben, sondern lieber grundsätzlich antworten. Eine Kindheit kann zweifellos auch ohne Kindermusik schön sein, aber mit guter Kindermusik wird sie aller Wahrscheinlichkeit nach noch schöner! Darum liebe Eltern und pädagogischen Fachkräfte: Lasst euch mal auf dieses unbekannte Feld ein und freut euch auf viele schöne musikalische Entdeckungen mit euren Kindern.
Die Fragen stellte Monika Janzer.