Der Anfang des Jesusgebets
Als Teresa von Avila die von ihr gelehrte Form des Herzensgebetes zu verteidigen hatte, argumentierte sie, dass es dabei nicht um eine Spezialform, sondern die Grundform christlichen Betens gehe: um die Erhebung des Herzens zu Gott. Wer mit dem Herzen betet, sammelt sich ganz auf Gottes Gegenwart hin. Das kann mit oder ohne Worte geschehen. Die bekannteste Form des Herzensgebets ist das ostkirchliche Jesusgebet. Es lebt von der Erfahrung, dass wir im Aussprechen des Namens Jesus Christi mit Gottes Gegenwart in Berührung kommen: „Dein Name ist wie kostbares Salböl“, spricht die Braut zu Beginn des Hohelieds. Mit dem Aussprechen des Namens wird der Geliebte gegenwärtig. Spiritualitätsgeschichtlich betrachtet entwickelte sich das Jesusgebet aus dem murmelnden Meditieren der Wüstenväter. Aus einer Fülle von Schriftversen, die beim Aufstehen und vor dem Einschlafen, bei der Arbeit und unterwegs gemurmelt wurden, kristallisierte sich mit der Zeit eine feste Formel heraus. Sie nimmt den Ruf das blinden Bartimäus auf: „Jesus, Sohn Davids, erbarme Dich meiner!“ (Mk 10,47) Es ist ein Ruf aus tiefer Not und Einsamkeit, ein Ruf nach Erleuchtung und nach unverbrüchlicher Gemeinschaft. Es ist ein Ruf, in dem sich Menschen finden konnten und noch finden können, wenn sie sich an den Rand gedrängt fühlen, nicht mehr weiter wissen, die motivierende Perspektive verloren haben. Sich diesen Ruf zu Herzen zu nehmen, in ihm den Ruf des eigenen Herzens zu erkennen, das ist der Anfang des Jesusgebetes.
Wenn das Herz alleine betet
Mit der Zeit entdeckten diejenigen, die sich dieses Gebet zu Eigen machten, dass es hilfreich ist, es im Rhythmus des Atems zu beten. In einer frühen koptischen Schrift heißt es, man solle im Rhythmus des Atems sprechen: „Mein Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner; ich preise dich, mein Herr, Jesus, hilf mir.“ Es dauerte nochmals einige Jahrhunderte, bis entdeckt wurde, dass auch die Achtsamkeit auf den Herzrhythmus zur Sammlung und Verinnerlichung beitragen kann. So verbinden sich sinnliche Wahrnehmung und metaphorischer Sinn. Das Gebet des Herzens kann zum Atem und zum Puls des geistlichen Lebens werden. Es weckt Geborgenheit im Sein. Wer sich darauf einlässt, dem erschließt sich Ruhe, Langsamkeit und stille Kraft. Das Herz beginnt von alleine zu beten.