Die Designerin Henrike Stefanie Gänß, eine umweltbewusste Konsumentin, berichtete kürzlich von einem Selbstversuch. Durch Inventur ihres Hausstandes wollte sie herausbringen, was sie wirklich benutzt, was notwendig ist für den Alltag und was in irgendwelchen Kisten und Schränken schlummert. Sie kam auf 2506 Gegenstände und stellte fest: Nur 15,4 Prozent dieser Dinge empfand sie als lebensnotwendig, und nur 72 Prozent davon benutzte sie tatsächlich häufig. Sie war schockiert.
Wissen Sie, wieviele Dinge Ihnen gehören? Früher konnte man noch von „meinen Siebensachen“ reden. Der Durchschnittseuropäer heute soll 10.000 Dinge besitzen! Und diese Dinge machen etwas mit uns. Sie nehmen uns in Beschlag. Überflüssige Dinge können uns zumüllen. Schöne machen unser Leben reicher und wertvoller. Einfache machen es klarer.
Benedikt, der Vater des Mönchtums hält in seiner Regel fest: „lm Kloster sollten Küchentöpfe und Pfannen so gehalten werden wie die geheiligten Gefäße auf dem Altar.“ Der Designprofessor Axel Kufus sagt: „Wie die Dinge sind – das hängt auch davon ab, wie wir sie gebrauchen.“
Man weiß: Produkte werden heute oft schon von den Herstellern so produziert, dass sie vorzeitig altern oder verschleißen. Es gibt sogar einen Fachausdruck für solchen geplanten Konsumschrott: Obsolenz. Die schöne äußere Gestalt, das modische Design, ist oft nur noch Verführung, die kurze Zeit hält – bis eine neue Mode kommt.
Die Lust auf Neues ist menschlich. Wir lieben zwischendurch Abwechslung und manchmal das Besondere. Aber nicht permanent. Wir sehnen uns auch nach Dingen, mit denen wir leben wollen, die uns nie verleidet werden. Jeden Tag das Neue, Spezielle, Andere und immer wieder etwas noch Besseres oder gar das vorher noch nie Dagewesene – das halten wir auf die Dauer auch nicht aus.
Natürlich ist das Einfache nicht automatisch das Gute. Aber wir sehnen uns nach den einfachen und den guten Dingen. Das fängt beim Essen an. Es muss nicht Kaviar sein. Die Spitzenköchin Sarah Wiener sieht es genauso. Wir brauchen auch das ganz gewöhnliche Brot – nicht das speziell gewürzte, den einfachen Käse, den handwerklich gut gemachten Wein, nicht den chemisch aufgemöbelten. Einfach – das schließt die Vielfalt nicht aus. Der Wein ist so variantenreich wie die Böden, auf denen er wächst. Gut sind nicht immer die teuren Sachen und einfach nicht die billigen, die Ramschartikel. Einfach und gut ist auch das, was dauert, weil es solide ist. Gerade die einfachen „Dinge“, die schlichten Gesten, lassen Verbundenheit erfahren – mit der Natur oder mit anderen Menschen: Einfach die Hand halten, wenn die Not groß ist. „Nichts extra!“ Der „Like it“-Button ersetzt nicht die Umarmung oder ein Gespräch. Und Wikipedia nicht das Rascheln von Seiten in einem richtigen Buch.
Dinge werden durch den Zusammenhang gut: Mich hat ein Satz aus Connie Palmens „Logbuch eines unbarmherzigen Jahres“ sehr berührt: „Wenn im Freundeskreis jemand seinen Mann oder seine Frau verliert, weiß ich, was ich tue: Ich mache einen großen Topf Suppe, packe ein paar Sachen ein, fahre hin und sage fast nichts. Ich empfange den Besuch, damit der Trauernde sitzen bleiben kann. Ich mache Kaffee, hole Wein, all die einfachen Dinge.“ Unser Leben ist nun einmal nicht einfach. Vielleicht stimmt wirklich, was Oscar Wilde gesagt hat: „Die einfachen Dinge sind der letzte Trost komplizierter Menschen.“