Am Sonntag gingen die Mönche, die sonst allein in ihren Zellen lebten, zur Kirche, um die Eucharistie zu feiern. Dort trafen sie die anderen Mönche, und manchmal gab es dann zwischen den Mönchen Streit oder aber man erzählte sich von seinen asketischen Leistungen. So wurde das Treffen manchmal durch oberfl ächliches Reden getrübt. Daher machte Abbas Poimen vorher diese Übung. Offensichtlich wollte er erfahren, ob sein Geist wirklich auf Gott gerichtet war. Ging er zu den Brüdern, um von seiner strengen Askese zu berichten? Oder war Unzufriedenheit in ihm? Er wusste: Dann würde er die Begegnung mit den Brüdern dazu nutzen, um diese Unzufriedenheit loszuwerden. Oder gab es aggressive Gefühle gegenüber einem anderen Bruder? In diesem Fall würde er die Brüder dazu missbrauchen, sich von ihnen in der Meinung bestätigen zu lassen, dass dieser Bruder ein schwieriger Mensch war. Nach der Rückkehr in sein Kellion würde er das Gefühl haben, dass das Treffen nur seine negativen Gefühle verstärkt hatte. Für Poimen ist die Weisung Jesu wichtig: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!“ (Mt 7,1)
Diese Übung wäre auch für uns gut. Bevor ich beispielsweise in eine Besprechung gehe, sollte ich prüfen: Möchte ich mich in der Sitzung in den Mittelpunkt stellen, meine Ideen durchsetzen, eine feindselige Gesinnung ausagieren? Oder komme ich absichtslos und mit der Offenheit, zuzuhören und auf Gottes Willen zu horchen? Auch wenn wir Freunde besuchen, kann die Übung hilfreich sein: Wenn ich den Besuch aus dem alltäglichen Trubel heraus mache, werden auch die Gespräche an der Oberfl äche bleiben. Wenn ich aber vorher meine Gedanken prüfe, werden die Gespräche intensiver. Ziel bei der achtsamen Untersuchung der Gedanken ist, dass ich meinen Geist innerlich ordne und ihn von Trübungen reinige. Den Geist trüben Leidenschaften wie Neid, Eifersucht, Rache, Groll, Bitterkeit, Machtgelüste, Ruhmsucht und Eitelkeit. Nur wenn ich mit einem reinen Herzen zu den Menschen gehe, werde ich die Begegnung mit ihnen als ein Geschenk erfahren und offen sein für das, was sie mir sagen. Und ich werde ganz im Augenblick sein, mich ganz auf den anderen einlassen. Eine solche Begegnung verwandelt und beglückt.