Der Mönch Hierax lebt schon 50 Jahre in der Wüste als Eremit. Vermutlich wird er etwa 70 Jahre alt sein. Da kommen die Dämonen und wollen ihn in die Akedia stürzen: Dieses schwer übersetzbare Wort bezeichnet eine Haltung der Trägheit und Lustlosigkeit, des Überdrusses und Ekels am Leben. Die Dämonen sagen dem Eremiten, dass er noch weitere 50 Jahre zu leben habe. Mit 70 Jahren kann sich der Mönch ausmalen, dass es keine beschwerdefreie Zeit sein wird. Mit dieser Aussicht wollen die Dämonen dem Mönch Überdruss am Leben vermitteln oder zumindest Lustlosigkeit und Traurigkeit. Doch der Mönch verspottet sie nur. Er habe sich auf 200 weitere Jahre eingerichtet. Gegen solches Vertrauen sind die Dämonen machtlos. Heulend laufen sie davon.
Diese Mönchsgeschichte erscheint mir heute hochaktuell beim Thema der aktiven Sterbehilfe. Viele Menschen können sich heute nicht vorstellen, dass sie alt und krank werden. Sie haben Angst vor Kontrollverlust, Angst davor, dass ihre eigene Wirklichkeit in der Schwäche des Alters oder des Sterbeprozesses zum Vorschein kommen könnte. Das Leben am Ende können sie sich nur als Siechtum vorstellen. Der Mönch unserer Geschichte dagegen hat keine Angst. Wenn er von 200 Jahren spricht, ist das natürlich biologisch gesehen unrealistisch. Aber psychologisch und spirituell zeugt es von seiner inneren Kraft. Er hat keine Vorstellungen, was er noch alles leisten möchte. Aber genau daran hängen sich heute oft die alten Menschen. Oder sie hängen noch zu sehr am Leben. Der Mönch hängt nicht am Leben. Er lebt sein Leben mit Gott. Es macht für ihn keinen Unterschied, ob er in diesem Leben mit Gott lebt oder im jenseitigen Leben. Ganz gleich wie seine körperliche Verfassung sein wird: Sein Leben wird so und so in Gott münden. Aber er überlässt es Gott, wann er ihn holen wird.