In Kultur und Religion
Die Römer kannten einen eigenen Gott der Türe oder auch des Anfangs: Janus. Er wird immer mit Pförtnerstab und Schlüssel dargestellt. In Japan gilt der Schlüssel als Glückssymbol, weil er die Reiskammer und die Kammer zu verborgenen Schätzen aufschließt. Im Märchen hat der Schlüssel oft eine besondere Aufgabe. Da wird einem Menschen oft ein Schlüssel zu geheimen Kammern anvertraut, zugleich mit dem Verbot, die Kammer zu öffnen. Doch meistens siegt die Neugier. Der Schlüssel wird dann letztlich zu einem Weg für eine neue Entwicklung im Menschen. Die christliche Tradition spricht von der Schlüsselgewalt. Das ist nicht nur die Schlüsselgewalt zu einem Gebäude. Da wird bei der Einweihung eines neuen Gebäudes auch heute oft noch ein großer Schlüssel überreicht. Petrus wird mit einem Doppelschlüssel dargestellt. Er hat die Macht zu lösen und zu binden.
In Sprache und Traum
Symbolisch sprechen wir oft vom Schlüssel. Ich suche nach dem Schlüssel, um ein Rätsel zu lösen. Ich suche nach dem Schlüssel, um die Tür zu meinem eigenen Herzen oder zum Herzen eines anderen aufzuschließen. Wir suchen den Schlüssel, um im anderen den Punkt zu finden, an dem das Leben in ihm aufblühen könnte. Peter Handke, der österreichisch-slowenische Schriftsteller, spricht vom Schlüssel der Sprache. Er sucht in seinem Schreiben ständig nach dem „Schlüssel, um das Geheimnis der Wirklichkeit aufzuschließen“. Wir träumen auch oft, dass wir unsere Schlüssel verloren haben. Oder wir stehen im Traum vor einer Tür und unser Schlüssel passt nicht. Die Tür bleibt verschlossen. Das sind immer Mahnträume, die uns zeigen, dass wir den Zugang zu unserem eigenen Innern verloren haben. Und sie mahnen uns, dass wir nach innen gehen sollen. Wenn wir nur im Außen leben, verlieren wir den Schlüssel zu unserem Herzen.
Jesus als Schlüssel
In einer O-Antiphon vor Weihnachten singen wir Mönche: „O Schlüssel Davids, Zepter des Hauses Israel. Du öffnest, und niemand kann schließen, du schließt, und keine Macht vermag zu öffnen. O komm und öffne den Kerker der Finsternis und die Fessel des Todes!“ Jesus selbst ist, in der bildhaften Sprache der Tradition, der „Schlüssel Davids“. Er ist der Schlüssel, der uns die Tür zu unserem eigenen Herzen aufschließt. Wir brauchen Jesus als Schlüssel, um den Mut zu finden, auch die Kammern in unserem Leib und unserer Seele aufzuschließen, die wir vor uns selbst und vor anderen verschlossen halten. Oft haben wir Angst, dass da in unserem Inneren nur Müll ist und Chaos. So lassen wir diese Kammern verschlossen. Aber wenn wir uns so verschließen, fehlt uns etwas an der eigenen Lebendigkeit. Mit Christus als Schlüssel dürfen wir es wagen, auch diese Abstellkammern in unserer Seele aufzuschließen. Wenn Christus diese Räume öffnet, wandelt sich der Müll, er wird von seinem milden Licht erhellt. In der O-Antiphon bitten wir, dass Jesus den Kerker der Finsternis aufschließen möge. Oft fühlen wir uns gefangen in einem Gefängnis von Angst oder Depression. Auch da bräuchten wir diesen Schlüssel Davids: Jesus, der uns die Tür aufschließt. Die Weihnachtslieder singen davon, dass Jesus uns die Tür zum Paradies aufschließt durch sein Kommen in unsere Welt.
Das Herz aufschließen
So wünsche ich Ihnen, dass Sie jedes Mal, wenn Sie eine Tür aufschließen, daran denken, was Sie eigentlich tun. Schließen Sie achtsam auf und bitten Sie Gott dabei, dass er Ihnen die Tür zu Ihrem Herzen und zum Herzen der Menschen aufschließt, mit denen Sie leben. Und stellen Sie sich vor, dass Christus selbst der Schlüssel ist, der Ihnen die Tür zum wahren Leben aufschließt.