Die Liebe siegt
Manche stoßen sich an diesen Worten Jesu und meinen, es sei eine kannibalische Sprache. Auch die im Text erwähnten Juden streiten darüber. „Die Juden“ sind im Johannesevangelium immer ein Bild für uns selbst. Sie drücken die Zweifel aus, die uns bedrücken, wenn wir die Worte Jesu im Johannesevangelium lesen oder hören. Katholische Leserinnen und Leser sehen in diesen Worten Jesu eine Darstellung der Eucharistie. Sicherlich deuten diese Worte Jesu das Geheimnis der Eucharistie. Doch zunächst müssen wir sehen, dass es Jesus hier um die Frage nach Leben und Tod geht. Das Fleisch, das uns Jesus gibt, verweist uns auf seine Hingabe am Kreuz. Jesus stirbt für uns, damit wir nicht mehr sterben, sondern das ewige Leben haben. „Fleisch“ ist im Johannesevangelium Symbol für den konkreten, der Gewalt anderer ausgelieferten Menschen. Das Evangelium sagt also: In dieser Schwachheit leuchtet uns Gottes Herrlichkeit auf. Sie ist die Liebe, die über die Schwachheit des Fleisches und über die Gewalt, die ihm angetan wird, siegt. Wir nehmen im Fleisch Jesu seine Liebe in uns auf. Jesus gibt sich für uns hin, damit wir aus dieser Hingabe leben können.
In uns herrscht Gott
Jesus spricht in diesen Worten auch leibhaft vom Essen und Trinken. In der Eucharistie begegnen wir Jesus, der für uns gestorben und auferstandenen ist, leibhaftig. Wir sollen seine Essenz, d.h. seine Tugenden, seine Liebe, seinen Geist, seine göttliche Kraft in uns aufnehmen, sie in uns integrieren, so dass wir wie Jesus denken, fühlen und handeln. Johannes spricht hier nicht nur von „essen“, sondern auch von „kauen = trogein“. Kauen war für die alten Mönche ein Bild für die Meditation. Es geht darum, dass wir Jesu Liebe immer wieder kauen und so in unseren Leib und in unsere Seele integrieren. Wenn wir das tun, haben wir jetzt schon ewiges Leben. Das Bild des ewigen Lebens meint nicht nur das Leben nach dem Tod, sondern das wirkliche Leben. Und es entspricht bei Johannes dem, was bei Markus oder Lukas „Reich Gottes“ heißt. Eucharistie bedeutet, dass wir das Wort und das Wesen Jesu, seine Liebe und seine Barmherzigkeit so tief in uns aufnehmen, dass Gott in uns herrscht und nicht mehr die Welt. Wir werden wohl nie ganz erfassen, was Jesus mit diesen Worten ausgedrückt hat. Er möchte uns einführen in das Geheimnis, dass wir eins werden dürfen mit ihm. Das ist nicht nur eine mystische Erfahrung, sondern auch eine Aufforderung, den Menschen auf neue Weise zu begegnen: ihnen so zu begegnen, wie Jesus selbst es getan hat.