Die Herzen berühren
Die Korinther, an die Paulus schreibt, waren von vielen religiösen Strömungen beeinflusst: von der hellenistischen Esoterik, von Mysterienkulten, in denen man auf geheimnisvolle Weise in das Schicksal einer Gottheit eingeweiht wurde. Paulus setzt sich auf der einen Seite von der religiösen Verkündigung ab, wie sie damals üblich war. Auf der anderen Seite aber verkündet er eine vollkommene Weisheit, die all die Sehnsüchte aufgreift, die damals religiös thematisiert wurden. Er glänzt dabei nicht durch schöne äußere Reden. Im Gegenteil: Er tritt „zitternd und bebend“ auf. Das mag die Krankheit sein, unter der Paulus gelitten hat. Was diese Krankheit war, können wir nicht mehr sagen. Im 2. Korintherbrief schreibt er davon, dass er Gott gebeten habe, ihn von dieser Krankheit zu befreien. Doch Gott antwortet ihm, dass seine Gnade genüge. Die Erwähnung dieser äußeren Schwäche soll zeigen, dass es in der Predigt um etwas anderes geht: um den Erweis von Gottes Kraft. Das ist durchaus auch für uns eine frohe Botschaft. Wenn wir das Wort Gottes verkünden, schneiden wir oft schlechter ab als diejenigen, die Rhetorikkurse absolviert und gelernt haben, wie man die Menschen fasziniert. Aber das soll sichtbar werden: dass Gott selbst unsere Worte benutzt, um die Herzen der Menschen zu berühren. Es sind andere Worte als die der Weisen dieser Welt. Da kann man nicht laut Beifall klatschen. Da wird man in seinem Innersten berührt und antwortet eher mit Schweigen und Staunen und indem man sich diesen Worten öffnet.
Das Geheimnis Gottes
Nachdem Paulus sich abgesetzt hat von der Weisheit der Korinther, verkündet er nun „Weisheit unter den Vollkommenen“: das „Geheimnis der verborgenen Weisheit Gottes“. Hier benutzt Paulus die Sprache der Mysterien. Das wahre Mysterium, das tiefste Geheimnis, das es zu enthüllen gilt, ist die Weisheit Gottes. Sie ist allen Menschen verborgen. Aber Gott hat sie in Jesus offenbart. Und so erfüllt die Predigt des Paulus die Sehnsucht der Korinther und die Sehnsucht der gesamten griechischen Philosophie nach wahrer Weisheit. „Philosophie“ heißt ja: Liebe zur Weisheit. In Christus – so Paulus – gipfeln alle Erkenntnisse, die die griechische Philosophie jemals erkannt hat. So brauchen auch wir uns im Disput mit heutiger Philosophie oder Psychologie nicht zu verstecken. Wir können mithalten. Aber es ist eine Weisheit, die alles Prahlen um menschliches Wissen hinter sich lässt, das Geheimnis unseres Menschseins aufschließt und das Geheimnis der unbegreiflichen Liebe Gottes aufscheinen lässt.