Keine Chance mehr
Natürlich gibt es Gründe dafür, dass eine Partnerschaft in eine Krise gerät. zu verstehen. Wenn etwa die Frau sagt, sie will nicht mehr, und einfach geht, dann steht der Mann mit Schuldgefühlen da, die er nicht loswerden kann. Auch wenn er an die Vergebung Gottes glaubt: Er kann sich selbst nicht vergeben. Denn seine Schuld hat zur Trennung geführt. Er möchte sich ändern. Aber er hat keine Chance mehr. Ähnlich geht es der Frau, wenn der Mann ihr sagt, dass er morgen ausziehen werde, weil er keine Gefühle mehr für seine Frau habe. Auch das ist eine absolute Aussage, gegen die sich die Frau nicht wehren Manchmal sieht ein Mann nicht, dass er sich zu sehr auf den Beruf konzentriert und seine Frau und seine Familie vernachlässigt hat. Möglicherweise ist sein Verhalten unbewusst. Vielleicht hält er es für seine Form von Zuwendung, möglichst viel für die Familie zu arbeiten. Wenn die Frau ihm das deutlich genug und rechtzeitig meldet, dann kann er etwas ändern. Das wäre fair: Die Schwierigkeiten in einer solchen kritischen Situation der Beziehung ansprechen und gemeinsam nach Chancen der Besserung suchen. Wenn sich ein Partner aber einfach entschließt zu gehen, dann hat der Verlassene keine Chance mehr, etwas zu verbessern. Und wenn er nicht weiß, warum sich der andere trennt, dann kann er nur versuchen, die Gründe kann. Sie hat keine Chance mehr, ihm ihre Liebe neu zu zeigen.
Eine Lücke bleibt
Ein Abschied muss vollzogen werden. Wenn ein Partner die Beziehung hingegen einfach abbricht und die Chance eines fairen Abschieds verweigert, dann bleibt eine Lücke. Diese Lücke wird entweder mit Schuldgefühlen oder mit Zorn und Wut gefüllt. Ob Ohnmacht oder Lähmung: Beides tut nicht gut. Ähnlich geht es einer Frau mit einer langjährigen Freundin. Eines Tages bricht diese Freundin den Kontakt aus heiterem Himmel ab. Auch wenn sie als Grund ein Gespräch angibt, bei dem es Missverständnisse gab: Sie gibt ihrer Freundin gar keine Chance, dieses Missverständnis zu klären oder sich dafür zu entschuldigen. Der Abbruch ist absolut. Was kann ich tun, wenn ich solchermaßen vor vollendeten Tatsachen stehe?
Sich selbst vergeben
Der erste Schritt besteht darin, dass ich mir selbst vergebe. Natürlich kann ich mir selbst nur vergeben, wenn ich an die Vergebung Gottes glaube. Viele vertrauen zwar darauf, dass Gott ihnen vergeben hat. Aber sie können sich selbst nicht vergeben. Sie haben den Eindruck, dass sie mit ihrer Schuld endgültige Tatsachen geschaffen haben. Trotzdem sollte ich mir in einer solchen Situation ganz bewusst selbst vergeben. Zu einem solchen Schritt gehört auch: Ich vergebe mir auch, dass ich in diese Lage geraten bin. Ich versuche, mich nicht als Opfer zu fühlen. Ich überlege vielmehr, wie ich aus dieser Situation das Beste ma chen kann. Mir selbst zu vergeben bedeutet: Ich nehme Abschied von meinem Idealbild, dass ich immer richtig handle, dass ich mein Leben in der Hand habe, dass mir immer gelingt, was ich mir als Ziel gesetzt habe. Es tut weh, sich vom eigenen Idealbild zu verabschieden.
Die Wut zulassen
Ein zweiter Schritt besteht darin, die Wut zuzulassen. Die Wut ist die Kraft, den an deren, der sich von mir getrennt hat, aus mir hinauszuwerfen. So kann ich eine gesunde Distanz zu ihm schaffen. Es tut mir nicht gut, viel über ihn oder sie nachzudenken. Das würde mich nur selbst verletzen. Natürlich spüren wir oft nach der Trennung, dass wir den anderen noch lieben. Aber es tut uns nicht gut, wenn wir zu viel an diese Liebe denken. Jetzt ist es besser, sich durch Wut vom anderen zu distanzieren: Ja, ich habe ihn geliebt. Aber jetzt ist er es nicht wert, dass ich zu sehr an ihn denke. Er hat eine Seite von sich gezeigt, die ich nicht akzeptieren kann. Und die lasse ich bei ihm. Ich trauere ihm nicht nach, sondern ich betrauere, dass es so gekommen ist. Nachtrauern würde mich lähmen. Das Betrauern gibt mir Kraft, mein eigenes Leben zu leben.
Mein Leben in die Hand nehmen
Der dritte Schritt besteht darin, die Wut in den Ehrgeiz zu verwandeln, dass ich jetzt mein Leben selbst in die Hand nehme. Ich nehme mir vor, all die Fähigkeiten, die in mir sind, jetzt bewusst zu leben. Ich spüre meine eigene Würde. Ich defi niere mich nicht nur über den Partner oder die Freundin. Ich suche meinen Grund in mir und in Gott. Und auf diesen Grund baue ich mein Leben neu auf. Dann bleibe ich nicht in der Opferrolle. Die würde mich nämlich nur weiter schwächen. Der Ehrgeiz dagegen gibt mir neue Energie, mein Leben so zu gestalten, dass es für mich eine Chance wird, echter, authentischer und freier zu leben.
Nicht warten: leben
Manchmal kommt der Partner oder die Freundin, die einseitig die Beziehung abgebrochen hatten, auf einmal wieder zurück. Denn manchmal spüren sie, dass der, den sie verlassen haben, jetzt aufblüht. Dann werden sie neugierig auf den verlassenen Partner. Vielleicht haben sie inzwischen auch keine guten Erfahrungen gemacht mit einer neuen Beziehung oder mit ihrer Unabhängigkeit. Möglicherweise haben sie erkannt, dass sie einer Illusion aufgesessen sind. Wie auch immer: Als Verlassener sollte ich auf der einen Seite meinen Ehrgeiz dareinsetzen, selber zu leben, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Auf der anderen Seite sollte ich aber auch die Hoffnung nie aufgeben, dass sich auch im andern etwas wandeln könnte. Aber Hoffnung ist etwas anderes als Erwartung. Wenn ich darauf warte, dass der andere zurückkommt, dann bleibe ich abhängig von ihm und fühle mich weiterhin als Opfer. Wenn ich aber selbst lebe, kann ich – wenn der andere wieder bei mir anklopft – frei entscheiden, ob ich die Türe aufmache oder ob sie für mich geschlossen bleibt.