Vom Mut, als Mönch zu leben
Karlfried Graf Dürckheim war ein Therapeut, der Jungsche Psychologie mit Zen-Meditation verbunden hat. Er hatte in Todtmoos-Rütte ein therapeutisches Zentrum aufgebaut, eine existential-psychologische Bildungsund Begegnungsstätte. Einen Ort, wo man in der sogenannten Iniatischen Therapie mit Fragen konfrontiert wurde wie: Wer bin ich wirklich im Grunde meines Wesens? Was ist der Sinn meines Daseins? Stehe ich am rechten Platz? Dorthin ging auch ich in den Sommerferien, um Formen von Meditation zu entdecken, etwa Aikido, Eutonie und Zen-Meditation. Die Begegnung mit Graf Dürckheim war für mich mehr als eine bloße Möglichkeit der Selbsterfahrung, es war eine Offenbarung. Sie gab mir den Mut, das klösterliche Leben mit neuen Augen zu sehen. Ich bekam einen neuen Sinn für die Rituale in den Gottesdiensten, die Gebetsgebärden sowie die Bedeutung und den Wert der alten Symbole. Und auf einmal wuchs in mir ein neuer Stolz, Mönch zu sein. Damals herrschte in unserem Konvent ein pessimistischer Zug, so als ob wir Mönche ein Auslaufmodell seien. Doch in der Begegnung mit diesem Mann und seinen Gedanken spürten wir: Unser Leben als Mönch hat einen Sinn und wir haben eine wichtige Aufgabe für die Kirche und für die Gesellschaft.
Leib und Seele
Wir besprachen mit Graf Dürckheim oder seiner Mitarbeiterin, Maria Hippius, unsere Träume oder unsere Probleme mit unserem Mönchsein. Graf Dürckheim ermutigte, das Leben eines Mönches gerade in unserer Zeit authentisch zu leben. Er hat uns ein neues, vertieftes Gespür für den Leib und für die Gebärden des Leibes vermittelt. Ein berühmter Spruch von ihm: „Wir haben nicht einen Leib, wir unser Leib.“ Wie wir uns im Leib darstellen, sagt etwas Wesentliches über unsere Seele aus. Und wenn wir in unserem Leib andere Haltungen einüben, wie etwa Gebetsgebärden, dann verwandelt das nicht nur unseren Leib, sondern auch unsere Seele. Graf Dürckheim lehrte uns, den Leib zu erfahren als ein Barometer, das uns anzeigt, wie es in uns aussieht – aber zugleich auch als ein Instrument der Verwandlung unserer inneren Haltung.
Neue Augen für die Tradition
Natürlich ist kein großer Meister ohne Schatten. Graf Dürckheim war im Nationalsozialismus deutscher Gesandter in Japan. Das war sicher ohne Nähe zur Nazi-Ideologie nicht möglich. Aber die Begegnung mit der Zen-Meditation hat den Jungschen Therapeuten verwandelt. Er erkannte, was den Menschen wirklich ausmacht. Er spricht immer wieder von Seinserfahrung. Damit meint er letztlich eine spirituelle Erfahrung, ja die Erfahrung Gottes. Uns Mönchen hat die Begegnung mit diesem weisen Mann geholfen, die christlichen Symbole und Rituale neu zu verstehen und ihre heilende Wirkung an uns selbst zu erfahren. Die Begegnung mit diesem geistig so offenen Menschen hat uns dazu geführt, mit neuen Augen auch auf die Erfahrungen der Wüstenväter aus dem 4. Jahrhundert zu schauen. Das hat meine persönliche Spiritualität befruchtet, aber auch die vieler Mitbrüder. Die Begegnung mit Dürckheim war auch der Anlass, zuerst in einer eigenen Kleinschriftenreihe die Erfahrungen des Mönchtums mit der Jungschen Psychologie zu vergleichen. So ist mein Schreiben aus dieser Begegnung heraus gewachsen. Ich bin daher heute noch dankbar, dass ich diesen Menschen getroffen habe.