Unverzweckte Zeit
Mit der Familie Zeit zu verbringen – das kann man kultivieren. Sie nehmen sich Zeit, mit dem Partner, mit den Kindern zu sprechen, kündigen das aber nicht groß an. Es soll wie selbstverständlich sein, dass Sie die Kinder fragen, wie es ihnen geht. Wenn Sie sich erzählen lassen, was sie beschäftigt, zeigen Sie Ihr Interesse. Oder wenn Sie Ihren Sohn oder Ihre Tochter zu einem längeren Spaziergang einladen, ergeben sich beim Gehen oft gute Gespräche, auch wenn es sonst Schwierigkeiten gab. Beim Propheten Amos heißt es: „Können denn zwei miteinander gehen, ohne unterwegs einig zu werden?“ Das Schönste: Wenn ich anderen Zeit schenke, werde ich selber beschenkt. Ich erlebe, wie es mir gut tut, Zeit nicht zu verplanen. „Die Stunden, die wirklich zählen, sind nicht die, die gezählt werden“, sagt der Zeitforscher Karlheinz Geißler. Wenn ich Zeit „verschwende“ für Menschen, die mir am Herzen liegen, dann schaue ich nicht auf die Uhr. Ich verzwecke Zeit nicht wie für eine Arbeit, die unbedingt notwendig ist. Wenn ich mir Zeit lasse - für das Gespräch, das Miteinander-Spielen, die Wanderung - , dann werde ich dankbar sein, dass ich dem anderen und mir selbst näher gekommen bin. Denn wer sich auf den anderen einlässt, lässt sich immer auch auf sich selbst ein.
Eine Adventsidee
Gerade in der Adventszeit können wir uns auch überlegen, wen wir besuchen könnten. Vielleicht fällt uns ein alter Freund ein, mit dem wir lange keinen Kontakt mehr hatten. Oder wir denken an einen einsamen Menschen in unserer Pfarrgemeinde. Oft haben wir Hemmungen, so jemanden zu besuchen. Wir denken: Vielleicht ist es ihm unangenehm? Wir können uns vorher telefonisch anmelden. Wir sollten aus dem Besuch nichts Besonderes machen, sondern einfach sagen: „Ich möchte Sie gerne besuchen und mit Ihnen plaudern.“ Vielleicht reagiert der andere verwundert. Aber wir spüren schon beim Telefonieren, ob er sich im Tiefsten doch darauf freut. Natürlich kann es auch sein, dass der andere nicht möchte. Aber dann haben wir es zumindest probiert. Wenn wir ihn dann besuchen, wird es sicher für beide Seiten eine geschenkte Zeit sein. Ich werde vielleicht Lebensgeschichten erfahren, mich von dem berühren lassen, was der andere erzählt. Und im Licht dessen, was er erfahren hat, werde ich einen anderen Blick auf mich selbst und auf mein Leben bekommen. So werde ich beschenkt wieder nach Hause gehen.
Einander zum Segen werden
Lukas erzählt uns die wunderbare Geschichte oder Begegnung von Maria und Elisabeth: Maria hat den Mut, aufzubrechen und das Vertraute hinter sich zu lassen. Sie geht über das Gebirge: ein Bild für den Berg von Vorurteilen und Hemmungen, die uns oft vom Besuch abhalten. Und als sie in das Haus des Zacharias eintritt und Elisabeth begrüßt, da hüpft das Kind in Elisabeth. Die Jüngere wird zum Segen der Älteren. Durch Maria kommt Elisabeth in Berührung mit ihrer eigenen Lebendigkeit. Und die Ältere segnet die Jüngere. Das ist ein schönes Bild, wie wir füreinander zum Segen werden, wenn wir wie Maria den Mut haben, aufzubrechen und einen einsamen Menschen besuchen.