Es sagte ein Alter: Wenn jemand die Erinnerung festhält an den, der ihn bedrängt oder entehrt oder betrübt oder geschadet hat, soll er sich dessen erinnern wie an einen Arzt, der von Christus geschickt wurde. Und er soll ihn für einen Wohltäter halten. Denn wenn du dich bedrängt fühlst, verweist das auf deine kranke Seele. Denn wenn du nicht krank wärest, würdest du nicht leiden. Und du musst dich über den Bruder freuen, weil du durch ihn deine Krankheit kennst, und für ihn beten und all das von ihm annehmen wie ein vom Herrn gesandtes ärztliches Heilmittel. Wenn du dich aber gegen ihn erbitterst, sagst du Jesus sinngemäß: Ich will deine Heilmittel nicht nehmen, ich will in meinen Wunden verfaulen. (Guy 16,17)
Wir ärgern uns über den, der uns verletzt oder gar entehrt hat. Und wir fühlen uns ungerecht behandelt und versuchen, um unser Recht zu kämpfen. Das kann in manchen Situationen angemessen sein. Doch die Mönche geben uns einen anderen Rat: Der, der uns verletzt, verweist uns auf unsere kranke Seele. Er deckt die Krankheiten unserer Seele auf. Daher sollen wir dem, der uns betrübt, dankbar sein. Und zugleich ist die Kränkung ein Heilmittel, das uns Jesus sendet. Wenn wir um unsere empfindlichen und verletzten Seelenanteile wissen, können wir sie Gott hinhalten und in der Begegnung mit Gott Heilung erfahren. Wenn wir bitter reagieren – so meint der Altvater – würden wir uns weigern, die Arznei Jesu anzunehmen. Was die Mönche da beschreiben, wird uns nicht einfach gelingen. Aber es verändert unsere Blickrichtung. Anstatt uns über den anderen zu entrüsten, sollten wir auf uns selber schauen, auf unsere Seele. Warum sind wir so verletzt? Hat der andere eine empfindliche Stelle getroffen? Wir sollen liebevoll unsere kranke und verletzbare Stelle anschauen und sie Gott hinhalten. Dann lernen wir Geduld mit uns selbst. Und wir lernen, uns selbst anzunehmen auch mit unserer kranken Seele, weil wir uns von Gott bedingungslos angenommen fühlen.