Was Jesus sagt
Jesus spricht im Lukasevangelium davon, dass wir zwar die Zeichen am Himmel auf das zu erwartende Wetter hin deuten, aber die Zeichen der Zeit nicht verstehen: „Das Aussehen der Erde und des Himmels könnt ihr deuten. Warum könnt ihr dann die Zeichen dieser Zeit nicht deuten?“ (Lk 12,56) Im 13. Kapitel erzählt Jesus von einigen geschichtlichen Ereignissen als Zeichen der Zeit. (Lk 13,1-7) Er deutet sie nicht als Strafe oder als Verkündigung von Unheil, sondern als Aufruf zur Umkehr, zur Metanoia, zum Umdenken. Wir sollen also die Zeichen der Zeit als Anruf Gottes deuten.
Krise als Aufruf zum Umdenken
In diesem Sinne können wir auch die Corona-Pandemie sehen: als Zeichen der Zeit, das eine andere Sichtweise für die Zukunft von uns fordert. Eine Richtung des Umdenkens zielt auf eine größere Solidarität. Wir spüren, dass wir alle zusammenhängen. Wir können nicht mehr nur isoliert an uns und unser Wohl denken. Bei allen Entscheidungen und Handlungen gilt es, die ganze Welt im Blick zu haben. In unseren Entscheidungen übernehmen wir Verantwortung für alle Menschen und für den Kosmos, nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für die Zukunft. Eine andere Richtung, in die wir umdenken sollen, bezieht sich auf einen einfachen Lebensstil. Die Krise hat uns gezwungen, auf weite Urlaubsreisen zu verzichten, sie hat unsere Mobilität eingeschränkt. Zugleich haben viele erkannt: Sie können auch ohne große Reisen einen schönen und erholsamen Urlaub machen. Auch beruflich: Für viele Sitzungen ist es nicht mehr notwendig, dass alle an einen gemeinsamen Tagungsort fahren. Das geht auch durch Videokonferenzen. Wir sollten also über alternative Formen des Lebens und Arbeitens nachdenken.
Sinn und Halt im Leben finden
Die Krise mahnt uns auch, einen Sinn für unser Leben zu finden. Dabei brauchen wir die Frage nicht zu entscheiden, ob die Ereignisse dieser Zeit in sich einen Sinn haben. Wir sollten uns vielmehr fragen, welchen Sinn wir unserem Leben angesichts der Corona-Epidemie geben möchten. Geht es nur um Erfolg und Besitz? Oder geht es um ein authentisches Leben, ein Leben im Einklang mit der Natur, im Einklang mit uns selbst und mit den Menschen um uns herum? Was können wir beitragen zu einer menschlicheren und lebenswerteren Welt? Die vielen Unsicherheiten, die durch die Krise entstanden sind, lassen uns nach dem Halt fragen, der uns Sicherheit schenkt, nach dem festen Grund, auf dem wir stehen können. Hier tut sich die religiöse Frage auf: Die Bibel beschreibt Gott als den Felsen, auf dem wir sicher stehen können, als die Burg, die uns Schutz und Geborgenheit schenkt. Die Undurchschaubarkeit der Welt, die uns die Pandemie vor Augen geführt hat, lässt uns also Ausschau halten nach dem Grund allen Seins, nach Gott, der uns in aller Unbegreiflichkeit unseres Lebens als Geheimnis umgibt und trägt.