Ein Freund von mir hat Suizid begangen. Er war ein sehr frommer Mann. Ich habe viele gute Gespräche mit ihm geführt. Ich verstehe einfach nicht, warum er diesen Schritt gegangen ist. Ich spüre auch Schuldgefühle, dass ich nicht bemerkt habe, dass es ihm nicht gut ging. Wie gehe ich mit meinem Nicht-Verstehen und meinen Schuldgefühlen um?
Was in einem Menschen vor sich geht, wenn er diesen Schritt geht, können wir nicht wissen. Es ist immer ein Geheimnis. Es hilft nicht, die ganze Zeit nachzugrübeln, was ihn dazu gebracht hat. Wir müssen es einfach respektieren und das Geheimnis seiner Person so stehen lassen. Und wir dürfen vertrauen, dass es für ihn der Weg war, in das Leben zu gelangen, das er hier immer leben wollte, aber nicht leben konnte. Wir dürfen vertrauen, dass er jetzt in Gott im Frieden ist. Dass Schuldgefühle hochkommen, können wir nicht verhindern. Aber auch da ist es wichtig, nicht darüber nachzugrübeln. Der Freund ist jetzt im Frieden und macht Ihnen keine Vorwürfe. Halten Sie Ihre Schuldgefühle Gott hin und vertrauen Sie darauf, dass Sie mit allem, was in Ihnen hochkommt, von Gott angenommen sind.
Mir ist die Freude am Leben verloren gegangen. Ich habe zwar eine Arbeit, die mir eigentlich Spaß macht, eine liebe Frau und zwei Kinder, auf die ich stolz bin. Aber irgendwie fehlt mir etwas Grundlegendes. Früher war der Urlaub oft eine Zeit mit tiefen Erfahrungen und großer Freude. Aber nach dem letzten Urlaub spürte ich: Es geht einfach an mir vorbei. Wie finde ich wieder zu meiner ursprünglichen Lebensfreude?
Zunächst ist es wichtig, das Gefühl von Leere und mangelnder Lebensfreude wahrzunehmen, ohne es zu bewerten, und mich zu fragen: Was will mir dieses Gefühl sagen? Vielleicht zeigt es mir, dass ich meine Erwartungen an den Urlaub, vielleicht an mein Leben, loslassen sollte. Dabei geht es nicht um Resignation, sondern darum: Wie kann ich leise das Leben wieder lernen? Wo kann ich doch etwas von Freude spüren? Vielleicht ist es ein einfacher Spaziergang, bei dem ich ganz im Augenblick bin und die Schönheit der Natur wahrnehme. Vielleicht ist es eine Musik, der ich mich ganz hingebe. Entscheidend ist, dass ich mich selber spüre, mit meiner Leere, aber auch mit meiner Sehnsucht. Was ist meine tiefste Sehnsucht? Kann ich mein Verständnis vom Leben wandeln? Kann ich Ja sagen zur Durchschnittlichkeit meiner selbst und meines Lebens? Ein anderer Weg könnte sein, sich die eigenen Kinderbilder anzuschauen. Worüber konnte ich mich als Kind freuen? Versuchen Sie, mit dieser ursprünglichen Freude wieder in Berührung zu kommen.
Der Sinn
Ich sagte zu meiner Frau:
„Ich kann nicht mehr gehen
und leide an zu vielen
Beschwerden. Das macht
mir das Leben zuwider.
Ich verstehe seinen Sinn
nicht mehr. Weshalb soll ich
leben?“ Meine Frau erwiderte:
„Um mich zu lieben!“
Ein kleines Wort und alles in mir
wandelte sich. Plötzlich entdeckte
ich neu den Sinn des Lebens:
die Liebe. Wir leben, um zu lieben.
Wie hatte ich das vergessen können.
Eugène Ionesco (1909–1994)
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