ZeitfragenHilft es, zu hoffen?

Was können Einzelne angesichts der gegenwärtigen Krisen tun: Bleibt nur Resignieren? Hilft es, sich zu bescheiden? Oder sollen wir trotz allem unsere Kraft auf die Hoffnung setzen?

Hilft es, zu hoffen?
© ThomasVogel

Resignieren schadet

Zunächst gilt es, die Krisen wahrzunehmen und nicht die Augen davor zu verschließen. Aber wenn wir angesichts der Krisen resignieren, schaden wir uns und unserer Umwelt. Das Wort resignieren kommt ja vom lateinischen re-signare: eine Signierung rückgängig machen, sie ungültig werden lassen. Wer resigniert, der gibt es auf, diese Welt zu verstehen. Wer resigniert, ergibt sich dem Schicksal. Das tut der Seele nicht gut. Das lähmt sie und erfüllt sie allmählich mit Bitterkeit. Dann geht von uns eine Stimmung aus, die auch das Umfeld lähmt und manchmal vergiftet.

Demut tut gut

Sich bescheiden ist sicher ein Weg, mit den Krisen umzugehen. Bescheiden reagieren bedeutet: Ich nehme die Wirklichkeit an, wie sie ist. Bescheidenheit hat mit Demut zu tun. Ich erkenne demütig an, dass ich nicht der Herr dieser Welt bin, dass ich die Welt nicht meinen Wünschen entsprechend gestalten kann. Und sich bescheiden bedeutet auch, sich zu verabschieden von der Illusion, dass alles immer besser wird und wir uns immer mehr Wohlstand erarbeiten können. Es gibt Grenzen des Wachstums, es gibt Grenzen, die uns der Klimawandel setzt. Es gibt Grenzen, die durch kriegerische Ereignisse unser Leben einengen.

Hoffnung ist realistisch

Doch Bescheidenheit allein kann auch zur Passivität führen. Daher muss die Demut, die Welt so zu akzeptieren, wie sie ist, mit der Hoffnung verbunden sein. Wer hofft, verschließt nicht die Augen vor der Realität. Er nimmt alle Krisen wahr. Aber er resigniert nicht, er hofft darauf, dass sich in dieser Welt etwas wandeln kann, dass sich Krieg zum Frieden wandelt, dass sich Hass in Mitgefühl wandelt, dass die Krise zur Chance wird. Hoffnung ist nicht Zweckoptimismus, der die Realität nicht sehen möchte. Die Hoffnung ist realistisch, sie hofft darauf, dass die Realität sich wandeln kann. Für mich gilt das Wort des weisen griechischen Philosophen Heraklit: „Wer nicht das Unverhoffte zu hoffen wagt, wird es nie erlangen.“ 

Aktiv bleiben

Wir sollten – und können – auf die Krisen der Zeit aktiv reagieren. Aktiv reagieren bedeutet nicht, dass wir den Krieg beenden können oder dass wir durch unser Verhalten den Klimawandel stoppen können. Die stoische Philosophie unterscheidet zwischen dem, was in unserer Macht liegt, und dem, was nicht in unserer Macht liegt. Unser eigenes Denken und Fühlen ist in unserer Gewalt – nicht dagegen das, was uns etwa in der Natur begegnet oder die Verhaltensweisen der Menschen um uns herum. Der größte Fehler, den wir machen können: ständig um das zu kreisen, was nicht in unserer Gewalt steht. Der Philosoph Epiktet schreibt: „Hältst du für frei, was seiner Natur nach unfrei ist, und für dein eigen, was fremd ist, so wirst du viel Verdruss haben, Aufregung und Trauer, und wirst mit Gott und allen Menschen hadern. Hältst du aber nur das Deine für dein eigen und Fremdes für fremd, so wird nie jemand dich zwingen, nie jemand dich hindern, du wirst nie jemand Vorwürfe machen, nie jemand schelten, nie etwas wider Willen tun. Niemand wird dir schaden, denn du wirst keinen Feind haben (…).“ Das klingt für uns zu rational und zu einfach. Aber es ist etwas Wahres an dieser Einsicht. Der Krieg ist nicht in unserer Macht. Und wir allein können den Klimawandel nicht aufhalten. Aber es gibt einen Spielraum, den wir aktiv gestalten können. Wir können z.B. bewusst eine versöhnende Sprache sprechen, anstatt mit aggressiven Worten zu spalten. Wir können das, was in unser Macht steht, gegen den Klimawandel tun – etwa indem wir bescheidener leben, weniger Energie verbrauchen oder sie aus regenerativen Quellen schöpfen. Dann erfahren wir: Auch wenn wir nicht die ganze Welt verändern können, so können wir doch etwas dazu beitragen, dass die Welt menschlicher und friedvoller wird.

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