WienSpiel mit Illusion und Freude an der Täuschung

Mit lebensnahen Miniaturkunstwerken aus Wachs erobert ein Augsburger im 17. Jahrhundert den Kaiserhof in Wien.

Szene aus Ovids Metamorphosen.
Szene aus Ovids Metamorphosen.© KHM-Museumsverband

Sein Selbstporträt (Bild unten) gibt selbstironisch einen Hinweis: Die linke Hand am Kinn, den Zeigefinger Richtung Auge hochgestreckt, als ob der Künstler damit sagen wollte: »Trau, schau, wem«. Wohl wahr, denn Daniel Neuberger ist ohne Zweifel auf dem Gebiet der Wachsplastik der führende Künstler seiner Zeit. Erstmals ist ihm mit »Wachs in seinen Händen« eine Ausstellung in Wien gewidmet. 1621 in Augsburg geboren, bildet er sich zum Bildhauer, Maler, Steinschneider und Literat aus. Seine größten Erfolge erzielt er im Wachsbossieren, der Kunst des plastischen Formens in Wachs. Europäische Fürstenhöfe reißen sich um die oft nur wenige Zentimeter großen Objekte.

Neuberger mischt dem Wachs unterschiedliche Zusatz- und Füllstoffe bei und ahmt auf diese Weise sowohl Metall- wie Steinreliefs als auch Elfenbein- und Holzschnitzarbeiten so kunstvoll nach, wie es mit dem Originalmaterial nur schwer möglich gewesen wäre. Die zerbrechlich wirkenden Artefakte zeigen höchste Meisterschaft: Haut, Haare und Stoffe sehen aus wie im wirklichen Leben. Damit überführt Neuberger die Kunst der visuellen Täuschung aus der Malerei in die Bildhauerei, wofür ihm Leopold I., Sohn von Kaiser Ferdinand III., ein Privileg verleiht. Spektakulär ist auch der »Kaiserautomat«, eine lebensgroße mit einem Bewegungsmechanismus ausgestattete Wachsfigur von Leopold I.

Kunsthistorisches Museum, bis 9. 6. 2025 → www.khm.at

Selbstporträt Daniel Neuberger
Selbstporträt Daniel Neuberger Landes­hauptstadt Hannover/Museum August Kestner/Detlef Jürges