Die Militarisierung der Johanniter

Ab dem 12. Jahrhundert übernahmen die Johanniter auch wieder militärische Aufgaben. Neben den Templern stellten ihre Ordensritter die Elite der Kreuzfahrerstaaten.

„Die Ritter Christi aber kämpfen mit gutem Gewissen die Kämpfe des Herrn und fürchten niemals weder eine Sünde, weil sie Feinde erschlagen, noch die eigene Todesgefahr. Denn der Tod, den man für Christus erleidet oder verursacht, trägt keine Schuld an sich und verdient größten Ruhm. Ein Ritter Christi, sage ich, tötet mit gutem Gewissen, noch ruhiger stirbt er.“

Der Mönch, der 1139 diese Zeilen zu Pergament brachte, war der heilige Bernhard von Clairvaux – Abt, Mystiker und Kreuzzugsprediger. In seiner 1139 verfassten Schrift „Lob der neuen Ritterschaft“ argumentiert er, um Jerusalem vor den „halsstarrigen Feinden“ der Kirche zu schützen, sei es geradezu gottgefällig, wenn ein Christ einen Ungläubigen töten würde. In diesem Fall sei er „nicht ein Menschenmörder, sondern ein Mörder der Bosheit“.

Der heilige Bernhard von Clairvaux in einem Gemälde aus dem 16. Jahrhundert
Der heilige Bernhard von Clairvaux in einem Gemälde aus dem 16. Jahrhundert Wikimedia/Juan Correa de Vivar/Kollektion Museo del Prado

Im Gegensatz zu den Templern, die sich von Anfang an als Ritterorden konstituierten, wissen wir nicht genau, wann der erste Ritter unter den Johannitern anstatt seines Habits wieder ein Kettenhemd anlegte. Die schleichende Militarisierung begann um 1135, als dem Orden mehrere Burgen im Königreich Jerusalem übertragen wurden. Ein Jahrzehnt später fehlte dem Grafen von Tripolis das Geld für den Unterhalt von Krak des Chevaliers und er „verschenkte“ die Burg an die Johanniter.

Mit der Zahl der Burgen wuchs die Zahl der Krieger unter dem Banner des Ordens. 1169 konnte Großmeister Gilbert d’Assailly 500 ­Ritter und 500 leichte Reiter für einen Feldzug gegen Ägypten stellen. Doch ob es sich bei diesen Rittern um Söldner, Lehnsleute des Ordens oder bereits bewaffnete Johanniter handelte, darüber finden sich in den Quellen keine präzisen Aussagen. Eindeutig belegt sind Ritterbrüder der Johanniter (fratres armorum), also Mönche, die neben Armut, Keuschheit und Gehorsam auch den Waffendienst gelobten, erst durch eine Urkunde aus dem Jahr 1182.

Eine Chance für verarmte Ritter ohne großen Landbesitz

Für den modernen Betrachter erscheint dieser Wandel vom Krankenpfleger zum Krieger ausgesprochen radikal – doch im damaligen ­Verständnis der Kirche waren beide Wege gleichermaßen segensreich: Schließlich stellte sich auch der Ordensritter in den Dienst der Pilger, ­indem er sie vor den Muslimen, den aus ihrer Sicht „schuldigsten aller Menschen“, beschützte.

Die Ritterbrüder rekrutierten sich in der Regel aus dem ärmeren Adel und kamen zumeist aus dem französischen Sprachraum. Bei den Rittern des römisch-deutschen Kaisers war der Orden weniger populär, nicht zuletzt wegen der Sprache bevorzugten sie seit 1199 den ­Deutschen Orden. In ihrer Bewaffnung unterschieden sich die Ritterbrüder kaum von ­ihren weltlichen Standesgenossen, nur dass Waffen und Rüstung schlichter ausfielen und der Wappenschmuck fehlte. Hauptwaffe waren eine drei Meter lange Lanze aus Fichtenholz und ein Langschwert. Den Körper schützte ein Kettenhemd und den Kopf ein Nasal- oder Topfhelm. Ein zeitgenössischer arabischer Chronist über die Ritter: „Voll gerüstet vom Kopf bis zu den Zehen, ist er wie ein massiver Block aus Eisen und selbst die mächtigsten Schläge können ihn nicht erschüttern.“ Sein Rat lautete daher: Nicht den Reiter angreifen, sondern das Pferd.

Der Griff zum Schwert: Johanniter im 12. Jahrhundert
Der Griff zum Schwert: Johanniter im 12. Jahrhundert istockphoto.com/Grafissimo

Während der Kreuzzüge waren die Ordensritter immer eine kleine Elite. Der Militärhistoriker David Nicolle schätzt, dass es selten mehr als 300 Mann waren. Ihnen zur Seite standen die Sergeantenbrüder. Diesen „Rittern zweiter Klasse“ – ehemalige Handwerker oder freie Bauern – fehlte das Adelsprivileg. Das Gros der Krieger, die für den Orden kämpften, hatte jedoch kein Gelübde vor Gott abgelegt, sondern diente gegen bare Münze. Die leichte Kavallerie des Ordens, die Turcopolen, stellten christliche Söldner aus dem Orient, wobei besonders Armenier geschätzt waren. Hingegen kamen die Armbrustschützen meist aus Italien.

Während der Großmeister der Johanniter auch für karitative Aufgaben zuständig war, oblag das Kommando über die meisten militärischen Aktionen dem Marschall des Ordens. Die Tage der Demut waren vorbei: Wenn der Marschall ins Feld zog, dann mit vier Pferden und zwei Knappen. An seiner Seite wehte das Ordensbanner, getragen vom Gonfanier. Wo es wehte, hatte der Orden beim Vormarsch oder im Feldlager seinen Mittelpunkt. Die Johanniter genossen gemeinsam mit den Templern das riskante Privileg, die Vor- und Nachhut des Königreiches von Jerusalem stellen zu dürfen.

Nach der katastrophalen Niederlage bei ­Hattin und dem Verlust Jerusalems 1187 waren die Johanniter in der Defensive. Rückgrat des Ordens waren nun seine Burgen: Belvoir, das „Adlernest“ über dem Tal des Jordans, Margat, der „Wachturm“ an der Küste der Grafschaft Tripolis, und das furchteinflößende Krak des Chevaliers: mit einer Garnison von bis zu 2000 Mann mehr Festung als Burg. Selbst Sultan Saladin hatte davor gezögert, Krak des Chevaliers zu belagern.

Ein Fanal: Krak des Chevaliers fällt in die Hände des Feindes

Doch ein Mann ließ sich von der Stärke der Burg nicht einschüchtern – Baibars. Der ägyptische Heerführer hatte sich vom Sklaven zum Sultan hochgekämpft. 1271 stand sein Heer vor der Burg. Über einen Monat lang bombardierten Baibars Katapulte Krak des Chevaliers, bis ein Teil der äußeren Mauer einbrach. Noch leistete die innere Burg Widerstand, als ein Brief des Großmeisters – in Wirklichkeit eine Fälschung des Feindes – die Verteidiger ­erreichte. Das Schreiben riet, über die Kapitulation zu verhandeln. Gegen freien Abzug übergaben darauf die Ritter ihre Burg dem Sultan. Ob sie auf den Betrug hereingefallen waren oder auf diesem Weg „ehrenvoll“ ihr Leben retten wollten, kann nicht eindeutig beantwortet werden.

Bollwerk der Christenheit: Die Burg Krak des Chevaliers in Syrien
Bollwerk der Christenheit: Die Burg Krak des Chevaliers in Syrien. Ab 1142 sichern hier die Ordensritter der Johanniter die Ostflanke der Grafschaft Tripolis. Die Festung fällt 1271 durch eine Intrige istockphoto.com/WitR

Der Fall von Krak des Chevaliers läutete den Untergang der Kreuzfahrerstaaten ein. 20 ­Jahre nach Baibars Sieg ist nur noch ein schmaler Küstenstreifen zwischen Beirut und Haifa in der Hand der Christen. Zentrum ist die Hafenstadt Akkon. Hier erreicht der lebenswichtige Nachschub aus Genua und Venedig den ­Orient und hier residieren die Großmeister der Johanniter und Templer. Die Rivalität zwischen beiden Orden war geradezu sprichwörtlich. Doch als im Frühling 1291 der ägyptische Sultan al-Aschraf Khalil Akkon mit einem übermächtigen Heer belagerte, kämpften Johanniter und Templer Schulter an Schulter. Unter den Verteidigern war auch der Großmeister der Johanniter, Jean de Villiers. Er führte seine Ritter persönlich in den Kampf, bis ihn ein Speer durchbohrte. Schwer verwundet brachte man den Ritter auf ein Schiff nach Zypern. So überlebte er im Gegensatz zu den meisten Brüdern den Fall von Akkon. Aus der Sicherheit Zyperns wird er berichten: „Ich und ein paar unserer Brüder, die meisten unheilbar verletzt, entkamen nach dem Willen Gottes“.