Für uns heute gehört es zu den Widersprüchen des „Schwarzen Prinzen“, dass er einerseits die ritterlichen Ideale hochhielt, andererseits aber mit äußerster Brutalität gegen die Zivilbevölkerung vorging. Er selbst sah das naturgemäß anders, auch seine Briefe aus dieser Zeit drücken nur zufriedene Pflichterfüllung aus. Nach damaligem Verständnis handelte es sich bei solchen Beute- und Plünderungszügen tatsächlich um eine ganz legitime Vorgehensweise, die vom König zugelassen oder sogar angeordnet worden war. Das galt selbst im eigenen Land.
Brutaler Beutezug im Land des Feindes: Die chevauchée
So hatte Johann II. keine Hemmungen, gegen seine Untertanen die Taktik der verbrannten Erde anzuwenden, wenn er dadurch den Feind vom Nachschub abschneiden konnte. Dieser Krieg gegen die Bevölkerung war keine unrühmliche Ausnahme, im Gegenteil. Es waren nicht die großen Schlachten, die den Hundertjährigen Krieg ausmachten, sondern Überfälle auf die Zivilbevölkerung. Diese chevauchée genannte Taktik richtete sich bewusst gegen weiche Ziele. Ein in der Regel mehrwöchiger Vorstoß in feindliches Gebiet verfolgte verschiedene Absichten: Zum einen füllte er die eigene Kriegskasse und verminderte zugleich die feindlichen Ressourcen. Zum anderen wirkte er auf den Gegner demoralisierend. Er konnte auf solche Überfälle kaum reagieren, weil er nie wusste, wo der Feind das nächste Mal zuschlagen würde.
Der „Schwarze Prinz“ verfolgte freilich noch ein weiteres Ziel, das auch die Brutalität des Vorgehens erklärt. Bis Mitte des 13. Jahrhunderts war die gesamte westliche Hälfte Frankreichs noch im Besitz der englischen Könige aus dem Haus Plantagenet, die zugleich die Herzogswürde von Aquitanien trugen. Doch nachdem Ludwig VIII. von Frankreich 1224 den überwiegenden Teil des Herzogtums besetzt hatte, musste der englische König Heinrich III. den Gebietsverlust im Vertrag von Paris 1259 anerkennen. Ihm blieb nur das geschrumpfte Herzogtum Guyenne.
Der „Schwarze Prinz“ wollte den früheren Besitz wieder zu englischem Eigentum machen. Bei seinem Raubzug durch Aquitanien ging es also auch darum, die Machtlosigkeit des französischen Königs zu demonstrieren, der nicht in der Lage war, seine eigene Bevölkerung zu schützen. So sollten die Menschen zum Wechseln der Seite bewegt werden. Doch anstatt die Aquitanier zum Überlaufen zu motivieren, erregte der Kronprinz mit seinem brutalen Vorgehen nichts als Abscheu vor den Engländern. Außer reicher Beute hatte die chevauchée von 1355 also keinen Erfolg.
Zur Person: Wer war Eduard, der »Schwarze Prinz«?
Der älteste Sohn des englischen Königs Eduard III., Eduard von Woodstock (* 1330, † 1376), ist als „Schwarzer Prinz“ bekannt geworden, wobei unklar ist, ob man ihn schon zu Lebzeiten so genannt hat. Umstritten ist auch der Ursprung des Beinamens, der einerseits auf seine schwarze Rüstung zurückgeführt wird, andererseits aber auch auf seine brutale Kriegsführung gegen die französische Zivilbevölkerung. Gleichwohl rühmten ihn die Zeitgenossen als einen der größten Ritter seiner Zeit, weil er aus den meisten Schlachten als Sieger hervorging und ungewöhnliche Führungsqualitäten besaß. Neben Crécy wurde die siegreiche Schlacht von Poitiers zu seinem größten Triumph gegen die Franzosen.
Nachdem ihn sein Vater 1362 zum Herzog von Aquitanien ernannt hatte, ließ sich Eduard in Bordeaux nieder, wo er einen glanzvollen Hof führte, Anziehungspunkt zahlreicher Künstler und Gelehrter. Doch die großen Erwartungen, die England in den mutmaßlichen Thronfolger gesetzt hatte, erfüllten sich nicht. Die letzten Lebensjahre des „Schwarzen Prinzen“ waren von Krankheit überschattet, bevor er noch zu Lebzeiten seines Vaters am 8. Juni 1376 verstarb. Sein prachtvolles Grabmal in der Kathedrale zu Canterbury präsentiert den Prinzen in Helm und voller Rüstung.