Es war ein spektakulärer Akt der Selbstzerstörung: Am 23. Dezember 1888 schnitt sich der niederländische Maler Vincent van Gogh Teile seines linken Ohres ab. Aber was hat ihn dazu getrieben? Ein Streit mit dem Künstlerkollegen Paul Gauguin gilt bisher als möglicher Auslöser.
In seinem neuen Buch „Studio of the South. Van Gogh in Provence“ legt der Kunsthistoriker Martin Bailey nun eine andere Erklärung vor. Er glaubt, die Verlobung von van Goghs Bruder Theo könnte der Grund für die Selbstverstümmelung gewesen sein.
Theo ermöglichte van Gogh sein Künstlerleben
Vincent van Gogh stand seinem Bruder Theo sehr nahe. Der Künstler war auch finanziell von ihm abhängig. Nach der Untersuchung von van Goghs Familienkorrespondenz kommt Martin Bailey zu dem Schluss, dass der Maler an jenem 23. Dezember 1888 aus einem Brief von der Verlobung Theos erfahren habe. „Vincent fürchtete, er würde Theo, seinen engsten Gefährten ‚verlieren’“, zitiert der britische Telegraph Bailey. „Er war gleichermaßen besorgt, dass sein Bruder ihm die finanzielle Unterstützung entziehen könnte, die es ihm ermöglichte, sein Leben der Kunst zu widmen.“
Der Künstler sei zu dieser Zeit auch mit anderen Schwierigkeiten konfrontiert gewesen, so Bailey. Demnach sei Theos Verlobung vielleicht nicht die wesentliche Ursache von van Goghs selbstzerstörerischem Akt, habe diesen aber entfacht.
Theo van Gogh und seine Verlobte Johanna Bonger heirateten im April 1889. Der Kunsthändler starb zwei Jahre später im Alter von 33 Jahren an der Syphilis.