Zeitzeichen: 24. April 1974Putsch mit einer Blume und zwei Songs

Die Nelkenrevolution in Portugal beginnt mit einem Lied, das zuvor bei Europas Song-Contest nichts gerissen hat.

Als Abba 1974 den Grand Prix Eurovision gewinnt, nimmt auch Paulo de Carvalho (Bild links) für Portugal an dem Song-Contest teil. Sein Beitrag „E depois do Adeus“ (Und nach dem Abschied, siehe Video unten), in dem es um das Ende einer Beziehung geht, belegt den letzten Platz, erlangt aber zweieinhalb Wochen später beträchtlichen Ruhm: Der portugiesische Rundfunk sendet das Lied am späten Abend des 24. April 1974 als verschlüsselte Botschaft, dass die Nelkenrevolution beginnt.

In Portugal herrscht seit fast 50 Jahren das Estado Novo, ein faschistisches Regime, von dem fast nur die Großgrundbesitzer profitieren. Ansonsten ist Portugal das Armenhaus Europas, der normale Bürger wird kleingehalten. Zudem verwendet das Regime viel Geld und Mittel, um die Aufstände in den afrikanischen Kolonien niederzuschlagen, die nach Unabhängigkeit streben. In der Folge steht das Volk mehrheitlich auf der Seite einer linksorientierten Bewegung der Streitkräfte (MFA), die den Umsturz seit Längerem plant.

Der Staatsstreich ist fast unblutig

Kurz nach Mitternacht am 25. April 1974 sendet der portugiesische Rundfunk mit „Grândola, Vila Morena“ (Grândola, braungebrannte Stadt) das zweite verabredete Signal. Das bis dato verbotene Lied des antifaschistischen Liedermachers José Afonso ist die Ansage für die Putschisten, die Kontrolle über strategisch wichtige Teile des Landes zu übernehmen. Wenige Stunden später ist der Staatsstreich fast unblutig vollzogen und Ministerpräsident Marcelo Caetano abgesetzt.

Die Menschen stecken Nelken in die Gewehrläufe der Soldaten. Portugal ist auf dem Weg zur Demokratie. Seine Kolonien werden in die Unabhängigkeit entlassen, „Grândola, Vila Morena“ wird zur Hymne der Nelkenrevolution. Der Liedtext beschreibt die Freude der Menschen und ihr Zusammengehörigkeitsgefühl.