Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Heilige waren zuweilen Spielverderber: Als um 611 in Bregenz die Alamannen ein Bierfest zu Ehren ihres Gottes Wotan feiern wollten, tauchte der irische Wandermönch Columban auf und hauchte das Fass kurz an – es zersprang sofort und alles Bier ergoss sich auf den Boden. »Viele wurden in dieser Zeit zum Christentum bekehrt«, so der Biograf des Heiligen. Noch legendärer wurde die Aktion des Bischofs Bonifatius 723 in Geismar: Mit Axt und Glaubenseifer fällte er dort die Eiche des Donar (Thor). Doch Donner, Blitz und Strafgericht blieben aus, stattdessen zerfiel der Baum in handliche Stücke zum Kirchenbau.

Jenseits der frommen Legenden war die Christianisierung immer auch ein Instrument der Herrschaftspolitik. Mit der Annahme des katholischen Glaubens wollte Chlodwig die Galloromanen und Franken in einem „Wir-Gefühl“ vereinen, und die Salbung erhöhte seine
Stellung vom Stammesführer zum auserwählten König. Als Taufgeschenk brachte die Kirche das nötige Know-how mit, um sein junges Imperium zwischen Loire und Rhein zu verwalten.

„Die Religion können wir nicht befehlen“, lautete ein Grundsatz der Politik Theoderichs des Großen. Leider folgten spätere Herrscher dieser Maxime nicht. Nach jahrzehntelangem Krieg und Zerstörung ihrer Heiligtümer zwang Karl der Große die Sachsen mit aller Härte des Gesetzes zum christlichen Glauben. Eine Politik, die die Ottonen zwei Jahrhunderte später bei den Slawen jenseits der Elbe wiederholten. Doch nun hießen die Götter nicht mehr Wotan und Donar, sondern Radegast und Svantevit.

Ihr, Euer

Klaus Hillingmeier
Chefredakteur