Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

1773 bereist der Engländer Dr. Johnson, das literarische Genie seiner Epoche, Schottland. Noch fast 30 Jahre nach dem letzten Aufstand führen die Engländer dort einen Kreuzzug gegen die Kleinbauern, die sie von ihrem Land vertreiben, um Platz für die Schafherden der Aristokratie zu schaffen. Der Londoner begegnet Menschen, die in erbärmlichen Hütten wohnen und deren Mahlzeiten nur aus Haferschleim bestehen. Trotzdem hat ihr Elend diese Highlander nicht gebrochen. Sie sind stolz, aufrecht und haben die „Würde
von Königen“, wie Johnson feststellt.

England war schon immer das Schicksal Schottlands. Seit Wilhelm dem Eroberer beanspruchten die Könige von England die Vorherrschaft über das Land nördlich des Tweeds. Immer wieder mussten die Schotten ihre Freiheit mit dem Eisen des Schwerts verteidigen, doch am Ende triumphierte das englische Silber: 1707 kauften die Engländer genügend Stimmen im schottischen Parlament, um die Vereinigung beider Königreiche abzuwickeln.

Schottland verkam zu einer englischen Kolonie. Nicht nur der Besitz von Waffen wurde verboten, selbst das Tragen eines Kilts konnte mit einem halben Jahr Gefängnis bestraft werden. Als unter Georg IV. und Königin Viktoria alles Schottische en vogue wurde, verkamen ehrwürdige Traditionen zur Folklore. Mit dem Referendum von 2014 hätte Schottland erneut seine Unabhängigkeit gewinnen können, doch 55 Prozent entschieden sich für das Vereinigte Königreich. Den Brexit jedoch will die Mehrheit der Schotten nicht!

Ihr, Euer

Klaus Hillingmeier
Chefredakteur