Liebe Leserin, lieber Leser,
der Rommelbeitrag der Deutschen Wochenschau vom 9. September 1942 fällt besonders exotisch aus. Schauplatz ist die legendäre Oase Siwa, wo einst Alexander der Große das Orakel des ägyptischen Gottes Amun befragte. Die Akteure des Films sind blendend gelaunte Soldaten des Afrikakorps. Die Männer planschen im „Teich der Kleopatra“, verschlingen frische Weintrauben und schlürfen Mocca mit den Scheichs, deren Oberhaupt sogar ein Hitlerbärtchen trägt. Krieg als Abenteuerurlaub, gewürzt mit einer Prise Karl May.
Die Wüste bietet farbenprächtige Bilder – die Realität sieht für die Soldaten wesentlich grauer aus: „Sandstürme, quälende Fliegenschwärme und trostlose Eintönigkeit“, wird sich Oberleutnant Harald Kuhn erinnern. Die Temperaturen in der Libyschen Wüste sind gnadenlos, sauberes Wasser Mangelware und ein kühles Bier ein ferner Traum. Und natürlich sind auch die allgegenwärtigen Durchfallerkrankungen kein Thema der Wochenschauen.
Und dann war da noch der Feind. Spätestens seit der Invasion der Alliierten in Marokko und Algerien im November 1942 ist der Wüstenkrieg für Deutsche und Italiener verloren. Feldmarschall Rommel rät Hitler persönlich zum Rückzug nach Italien, doch der „Führer“ lehnt brüsk ab: Tunesien soll als Brückenkopf gegen die Übermacht gehalten werden. Jetzt berichten die Wochenschauen in markigem Ostfrontton von heldenhaften Abwehrkämpfen in Afrika. Aber an der Heimatfront macht längst ein neues Flüsterwort die Runde: „Tunisgrad“.
Ihr, Euer
Klaus Hillingmeier
Chefredakteur