Editorial

Prim: Mittelalterliche Morgenröte. 476 war das Weströmische Reich gefallen und barbarisches Chaos schien nun zu herrschen. Hoffnung auf Ordnung und Frieden kam mit den Benediktinern. Ihre Klöster glichen Inseln einer besseren Welt. Geleitet von der Regel des heiligen Benedikts wurde hier nicht nur gebetet und gearbeitet, sondern auch Wissen der Antike weitergegeben und mit christlichen Werten wie Mitleid und Nächstenliebe neu beseelt: Die Mönche legten so das Fundament unseres christlichen Abendlandes.

Sext: Barocke Sonne im Zenit. Bereits in den Tagen der Ottonen waren Klöster ein Pfeiler der kaiserlichen Macht. Im 17. und 18. Jahrhundert mauserten sich die Reichsabteien zu kleinen Königreichen und statt eines schlichten Habits legten ihre Äbte die Gewänder von Fürsten an. Macht und Reichtum kristallisierten sich in barocker Schönheit: Kempten, Weltenburg, Ettal. In ihrer Pracht konkurrierten die Bibliotheken mit den Inszenierungen der Kirchen. Aber die Fürstäbte investierten auch in Armenfürsorge, Hospize und Schulen.

Vesper: Abenddämmerung in der Moderne. Im Ideensturm der Französischen Revolution brach das Heilige Römische Reich wie ein Kartenhaus zusammen. 1803 wurde der Kirchen-und Klosterbesitz von den weltlichen Fürsten „einkassiert“ oder vornehmer ausgedrückt: säkularisiert. Das letzte Kapitel der weltlichen Geschichte der Benediktiner war beendet. Doch ihre spirituelle Botschaft ist in unseren Tagen voller hektischem Egoismus wichtiger denn je: Menschlichkeit, maßvolles und geregeltes Leben sowie innere Ruhe und Gelassenheit.

Ihr, Euer

Dr. Klaus Hillingmeier
Chefredakteur