Liebe Leserin, lieber Leser,
ein zierliches, fragil wirkendes Mädchen von gerade mal 16, 17 Jahren hat eine Vision, der sie hartnäckig folgt – mit solchem Elan und bisweilen auch Furor, dass sie ganze Menschenmassen bewegt, mehr als jeder Fachmann. Und die bei Anhängern wie Gegnern erstaunlich heftige Emotionen auslöst.
Nein, die Rede ist nicht von Greta Thunberg, sondern von Jeanne d’Arc, hier auch bekannt als Johanna oder Jungfrau von Orléans. Die beiden Frauen werden gerne in den Medien verglichen, die Klima-aktivistin als „Jeanne d’Arc des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet oder umgekehrt die französische Nationalheilige als „Greta in Rüstung“.
Dabei sind die Unterschiede gewaltig, schon allein, weil Jeanne d’Arc ungleich mehr riskierte als jeder heutige Aktivist im behüteten Westen. Ohne Facebook und Twitter begeisterte sie in einer zutiefst patriarchalischen Gesellschaft auch hartgesottene Kämpfer, änderte den Verlauf des Hundertjährigen Krieges und verlor auf solch herzzerreißende Weise ihr Leben, dass ihren englischen Richtern die Schurkenrolle auf ewig sicher ist. Jeanne d’Arcs Leben ist so einmalig, dass auf die Vergleiche mit der Gegenwart ein Zitat von Karl Marx gut passen könnte. Der merkte zu der Behauptung, dass sich die Geschichte wiederholt, trocken an: Wenn sie sich zweimal ereignet, dann „das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce“.
Ihr, Euer
Dr. Christian Pantle
Chefredakteur