Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

Familienkriege sind nichts Ungewöhnliches. Die meisten von uns können wohl von einem in der eigenen Verwandtschaft berichten, insbesondere wenn es ein Erbe zu verteilen gibt. Die fränkischen Merowinger treiben den Zwist allerdings auf eine Spitze, die außergewöhnlich ist, selbst für das wenig zimperliche Mittelalter.

Der „Merowingische Bruderkrieg“, wie Historiker das innerfamiliäre Gemetzel und Gemeuchel ab 561 n. Chr. nennen, ist als Begriff aber etwas irreführend. Denn die beeindruckendste Blutspur zieht kein Mann hinter sich her, sondern eine Frau: Fredegunde, die von der Magd zur Königsgattin und später Alleinherrscherin aufsteigt. Als unser Autor Michael Feldhoff über sie recherchierte, war es nicht leicht, bei all den Morden den Überblick zu bewahren. Einige musste er sogar weglassen, weil Fredegundes Opfer und Intrigen problemlos ein ganzes Buch füllen würden. Seinen höchst anschaulichen und unterhaltsamen Bericht lesen Sie ab Seite 32.

Wie ein Treppenwitz mutet daher an, dass es ausgerechnet die Franken sind, die unsere westlichen Wertvorstellungen von Ehe und Familie bis heute entscheidend prägen. Die Gründe dafür erklärt Bernhard Jussen, Professor für Mittelalterliche Geschichte. Sein Essay ab Seite 18 bietet überraschende Gedanken, wie sich die fränkische Gesellschaft etwa von der römischen, chinesischen oder orientalischen abhebt – und so zur Basis des modernen Europas wird.

Ihr

Dr. Christian Pantle
Chefredakteur