Editorial

Die zahme kleine Schwester der Nordsee – das war die Ostsee lange Zeit für mich. Ein Vorurteil, mit dem erst eine unvergessliche Kreuzfahrt aufräumte. Die Reise führte nicht nur übers Meer, sondern auch durch die Geschichte. So viel gab es da zu entdecken.
Die Wikinger. Die weitverzweigte Hanse. Die großen Kämpfe zwischen den sich kon­solidierenden Staaten der frühen Neuzeit. Die Abgründe des 20. Jahrhunderts. Aber auch, angelockt von der Landschaft, die Künstler auf der Suche nach Inspiration. Und die Urlauber auf Erholungssuche.

Wasser trennt nicht, es verbindet. Ständig waren Menschen auf diesem Meer unterwegs. Ihre Motive? Satt werden. Reich werden. Mehr Macht bekommen. Neues entdecken. Da musste doch noch was sein, jenseits des Horizonts! Wasser lädt ein, es zu befahren. Nicht jede Reise endete glücklich im Hafen. Und nicht jede Seefahrt war die, für die sie sich ausgab: Deklariert als harmloses Papier, überquerten im Kalten Krieg auch Waffen die Ostsee, wie unsere Autorin Janina Lingenberg in ihrem Beitrag über den Rügener Hafen Mukran erzählt (ab Seite 58 im Heft).

Und heute? Morgen? Wenn wir uns irgendwann in G/GESCHICHTE wieder der Ostsee zuwenden, so werden wir hoffentlich nicht von einem neuen Eroberungskrieg erzählen müssen.

Das wünscht Ihre

Dr. Christiane Schlüter
Redakteurin