Liebe Leserin, lieber Leser,
an einer Gezeiteninsel Ebbe und Flut zu verfolgen, kann ein faszinierendes Naturschauspiel sein, insbesondere am Ärmelkanal mit seinem hohen Tidenhub: Von Wasser umspült, liegt die Insel fern vor der Küste, nur mit einem Boot erreichbar. Dann beginnt das Meer weiträumig zu verschwinden, so schnell, dass man dabei zusehen kann – bis es nach kurzer Zeit möglich ist, trockenen Fußes zu der vormaligen Insel zu spazieren.
Mont-Saint-Michel an der Küste der Normandie ist die wohl berühmteste Teilzeitinsel Europas. Ich selbst war noch nicht dort, nur auf ihrem kleinen Bruder vor Südwestengland: der Gezeiteninsel St. Michael’s Mount, die ähnlich geformt ist und im 11. Jahrhundert den Mönchen von Mont-Saint-Michel übergeben wurde – die Namensverwandtschaft ist also kein Zufall. Wenn Sie an einem der beiden Orte vorbeikommen, nehmen Sie sich Zeit dafür. Ich jedenfalls habe den St. Michael’s Mount in bleibender Erinnerung, und der Mont-Saint-Michel bietet noch mehr: Ab Seite 16 können Sie die anschauliche Schilderung unserer Reporterin Carola Dorner lesen, wie der Berg die Geschichte der Normandie widerspiegelt – und dabei zu einem Wunder der normannischen Architektur herangewachsen ist.
Eine besondere Perspektive bietet in diesem Heft auch der Blickpunkt „Die Deutschen und der Wolf“. Unser Autor André Weikard gibt nicht nur einen souveränen Überblick über die jahrhundertealte Hassliebe, sondern lenkt den Blick auch auf kuriose Details – etwa die eigenartige Karriere der Wolfsangel von der grausamen Falle zum Stadtwappen und Nazi-Symbol.
Ihr
Dr. Christian Pantle
Chefredakteur