Liebe Leserin, lieber Leser,
wie viele Staaten muss man durchqueren, um auf dem Landweg von Norwegen nach Nordkorea zu gelangen? Sie ahnen es: nur einen, Russland.
Fragen wie diese veranschaulichen, welch ungeheure Ausdehnung das Land hat, das vom östlichsten Punkt Asiens bis tief nach Europa reicht. Ich selbst habe eine Ahnung von der Größe erfahren, als ich vor 25 Jahren mit der Transsibirischen Eisenbahn von Peking über Irkutsk am Baikalsee nach Moskau gereist bin. An die tagelange Zugfahrt durch die Steppe und die schier unendlichen sibirischen Birkenwälder erinnere ich mich heute noch mit Ehrfurcht: Was für eine Weite, was für eine herbe Schönheit der Landschaft!
Damals habe ich mir fest vorgenommen, noch einmal mit der Transsibirischen zu reisen, und zwar von Moskau durch ganz Sibirien nach Wladiwostok. Doch die Zeiten haben sich leider geändert: Spätestens seit dem 24. Februar 2022 ist Russland weiter weg von uns, als es seit der Ära des Kalten Krieges je war. Warum hat die russische Regierung den Eroberungskrieg gegen die Ukraine gestartet, obwohl sie schon jetzt über mehr als genug Fläche verfügt? Warum steckt sie nicht ihre ganze Energie in die Entwicklung dieses so großen wie großartigen Landes? Eine Antwort könnte in der langen Tradition des russischen Imperialismus liegen, dem sich dieses Heft widmet.
Ihr
Dr. Christian Pantle
Chefredakteur