Editorial

Vietnam soll deutsche Kolonie werden! Doch Kanzler Otto von Bismarck lehnt 1870 das französische Angebot im Austausch für Elsass-Lothringen ab. Sein Argument: Kolonien verschlingen nur Geld. Doch dann überfällt das junge Reich ein sonderbares Tropenfieber. Um die Wahlen von 1884 für die Konservativen zu gewinnen, knickt ausgerechnet der „Eiserne Kanzler“ ein und gibt den Startschuss zum „Wettlauf um Afrika“. Schon bald weht über Togo, Kamerun, Namibia und Ostafrika der Reichsadler. Aber auch Neuguinea, Samoa und Tsingtao werden deutsch.

Der Platz an der Sonne ist für die Steuerzahler teuer und verschlingt Unsummen. Auch wenn die Deutschen Schulen, Krankenhäuser sowie Eisenbahnen bauen und die Sklaverei abschaffen, bleibt die Kolonialmacht oft unbeliebt. Vor allem in Afrika kommt es immer wieder zu Rebellionen gegen die Männer mit den Tropenhelmen. Selbst in Tsingtao, auf dem Boden einer altehrwürdigen Hochkultur wie China, gibt es keinen Dialog auf Augenhöhe.

Die deutsche Kolonialchronik ist kurz. Bereits im Ersten Weltkrieg verliert das Reich alle seine Territorien in Übersee. Trotzdem sind viele Kapitel nicht abgeschlossen und es gibt unbequeme Fragen: Welche rassistischen Klischees aus der Kolonialzeit haben überlebt? Welche Bestände in den Völkerkundemuseen sind Raubkunst? Soll Deutschland für seine koloniale Vergangenheit Reparationen zahlen? Geschichte ist nicht immer bequem.

Ihr, Euer

Dr. Klaus Hillingmeier
Chefredakteur