Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

was war das für eine Zeitenwende! Am Ende des Mittelalters strömen revolutionäre Gedanken von Italien über die Alpen. Künstler und Gelehrte stellen den Menschen in den Mittelpunkt, entdecken die Antike neu, erforschen die Natur und den Globus. Plötzlich ist nichts mehr so, wie es war: Im fernen Westen wird eine Neue Welt entdeckt, die Erde ist nicht mehr das Zentrum des Universums, und ein Mönch namens Martin Luther erschüttert die katholische Kirche. Viele Reichsstädte springen gerne auf den Reformationszug auf – auch, um sich (finanziell) von den Ketten Roms zu lösen. Aber ist den damaligen Menschen überhaupt klar, dass sie in einer Zeitenwende leben?

Die Renaissance ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Kunsthistoriker wie Jacob Burckhardt prägen den Begriff und meinen damit im Rückblick eine Epoche, die voller Umwälzungen und Unwägbarkeiten steckt. Dabei ist die Renaissance ein Ergebnis der Propaganda­schlacht der Mächtigen, die sich mit Hilfe von Malern und Musikern profilieren wollen, wie der Geschichtsprofessor Volker Reinhardt in seinem Essay auf Seite 62 schildert.

Es wird ein Siegeszug der Wissenschaft. Deutschlands Aufbruch in die Neuzeit war möglich, weil Menschen mit revolutionären Ideen, Erkenntnissen und Gedanken den Weg ebnen, seien es Luthers Reformation, Huttens Humanismus oder Gutenbergs Buchdruck. Insofern ist die Renaissance auch ein Plädoyer für den Mut, vermeintlich gesichertes Wissen zu hinterfragen und offen für Neues zu bleiben. In diesem Sinne: Bleiben Sie uns gewogen und weiterhin neugierig.

Ihre

Sonja Nowack
Redakteurin