Liebe Leserin, lieber Leser,
viele Anekdoten kursieren über Friedrich den Großen alias den »Alten Fritz«. Folgende hörte ich in meiner Schulzeit von unserem Geschichtslehrer, und sie blieb mir in Erinnerung: Friedrich inspiziert auf einer seiner Reisen ein Zuchthaus. Der König fragt einen der Gefangenen, weshalb er hier sei, und der klagt, dass er unschuldig verurteilt wurde. Auch der nächste Gefangene sagt zu ihm, dass er unschuldig sei, ebenso wie alle weiteren. Am Ende trifft Friedrich auf einen Insassen, der antwortet, dass er Verbrechen begangen und seine Strafe verdient hat. Darauf der König zu ihm: »Was tust du hier unter all den ehrlichen Menschen? Mach, dass du wegkommst!« Und er befiehlt, den Mann sofort hinauszuwerfen.
Die Geschichte spielt im Zuchthaus der Stadt Wesel am Rhein, wie nun eine kurze Recherche ergab. Der reuige Insasse, den Friedrich angeblich in Freiheit setzt, bleibt namenlos. Die Anekdote ist eine der Alte-Fritz-Legenden, von denen Sie ab Seite 62 eine kleine Auswahl finden. Sie sind mit Witz und Liebe erzählt, und sie zeigen einen Monarchen, der sich ohne Pomp geistreich um die Belange seines Volkes kümmert.
Doch es gibt auch die andere Seite des Königs: den Kriegstreiber, der um seines Ruhmes willen skrupellos Hunderttausende in den Tod jagt. Licht und Schatten finden sich bei jedem Menschen, bei kaum einem anderen bilden sie solch einen grellen Kontrast wie bei Friedrich. Genau das macht wohl seine Faszination aus.
Ihr
Dr. Christian Pantle, Chefredakteur