Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Mir ist, als gestände ich einen Mord“, schrieb Charles Darwin 1844 an einen vertrauten Freund.Der Tatbestand von dem er sprach, war seine Evolutionstheorie, das Opfer: die Vorstellung einer geordneten göttlichen Schöpfung, in der jedes Lebewesen seinen angestammten Platzt findet. Stattdessen ein ewiger Kampf ums Überleben, der immer besser angepasste Tiere hervorbringt und zugleich andere Arten auslöscht. Doch der Gelehrte war keineswegs ein Einzeltäter, er hatte Komplizen.

Bereits Darwins Großvater Erasmus hatte in seinem Lehrgedicht „Zoonomia“ von fortwährenderEntwicklung der Lebewesen gereimt und sich damit neben Galilei einen Platz auf dem Index der verbotenen Bücher gesichert. Und schon 15 Jahre vor der „Entstehung der Arten“, propagierte 1844 der Autor des anonymen Bestsellers „Spuren der Naturgeschichte der Schöpfung“ evolutionäre Ideen. Schließlich beschrieb in der tropischen Ferne des Malaiischen Archipel der Biologe Alfred Wallace den „Kampf ums Dasein“ als Motor der Evolution – zeitgleich mit Darwin!

Bewunderte Theorie oder blasphemische Thesen – bis in die Gegenwart polarisiert die Evolutionslehre und stößt bei religiösen Fundamentalisten auf heftigste Ablehnung. Wer wie einige Kreationisten in den USA ein naives Schöpfungsbild – inklusive Arche mit Sauriern an Bord – propagiert, kann nicht erwarten, ernst genommen zu werden. Dabei sollte es gerade die Aufgabe der Religionsgemeinschaften sein, als moralische Instanz die Wissenschaft zu begleiten, damit sich inhumane Doktrin wie Rassenhygiene oder Eugenik nicht mehr wiederholen.

Ihr, Euer

Klaus Hillingmeier,
Chefredakteur