„Woanders is auch scheiße!“, lautet eine recht rüde Liebeserklärung an das Ruhrgebiet. Die Sprache der Menschen im Revier ist selten elegant, oft eine grammatikalische Grausamkeit, aber immer ehrlich. Wer im Bergwerk oder am Hochofen arbeitet, sagt, was Sache ist; für Labertaschen ist nur Platz an der Theke in der Eckkneipe. Und wer zu viel Blödsinn verzapft, macht sich schnell zum „Heiopei“. Der farbenprächtige Dialekt zwischen Duisburg und Dortmund ist ein Produkt der industriellen Revolution, als Westfalen, Rheinländer und Polen als Malocher an die Ruhr kamen. Bis heute sind daher Vertreter des Bürgertums beflissentlich bemüht, reines Hochdeutsch zu sprechen.
„Eine wunderbare Symphonie von Transmissionen, Pfeiftönen und Hammerschlägen“, schwärmt der Komponist Ravel, als er 1905 Duisburg erlebt. Die proletarische Perspektive ist anders: Die Arbeitsbedingungen in den Zechen und Hüttenwerken sind die Hölle, der Lohn bescheiden, und Hoffnung stiftet oft nur der Fusel. Wie paradiesisch erscheint die Welt der Arbeiter ein halbes Jahrhundert später: Spitzenlöhne, Mitbestimmung und ganz viel Zukunft.
Mit dem Wirtschaftswunder kommt die Lebensfreude: eine komfortable Wohnung, Auto und Urlaub. Der Stehplatz auf Schalke ist gesichert, und für ein Pils und eine Currywust „anne Bude“ ist immer ein Heiermann (5 DM) im Portemonnaie. Diese goldenen Tage sind vorbei. Die toten Zechen sind zu Industriedenkmälern versteinert, und nur noch in Duisburg brennen die Hochhöfen. Kann sich das Revier neu erfinden, oder heißt es endgültig: „Schicht im Schacht“?
Ihr, Euer
Dr. Klaus Hillingmeier
Chefredakteur