Als schönstes Wasser der Welt besingt der Dichter Euripides den Nil. Für die Menschen der Antike ist Nilus ein großzügiger Gott, der sein Füllhorn über Ägypten ausschüttet. Sein Hochwasser bringt nicht Tod und Zerstörung, sondern spendet segensreichen Schlamm für überreiche Ernten.
Im Sudan wechselt der Nil sein Geschlecht und wird zu Nyakae, einer Göttin der südlichen Hirtenvölker. Opfergaben wie Bier, Tabak oder Ziegen sollen das Wasserwesen in Krokodilgestalt gnädig stimmen. Am Anfang der Tage, so der Glaube, lebten alle Menschen im Schoß der Nyakae.
Der Blaue Nil in Äthiopien ist ein Strom der Spiritualität. Fast 1700 Jahre erhoben sich hier die Throne christlicher Könige. Und selbst die Jahre der sozialistischen Diktatur konnten das Feuer des Glaubens nicht löschen. Bis heute singen die Mönche der Inselklöster im Tanasee ihre Gebete, und Gläubige pilgern zu den Felsenkirchen von Lalibela, dem „Neuen Jerusalem“.
Im Osten Afrikas legt der Fluss das Fell der Sphinx an – wird majestätisch und zugleich gefährlich. Wer das uralte Rätsel seiner Quelle lösen wollte, spielte stets mit seinem Leben. In den strahlenden Wassern des Victoriasees spiegelt sich die paradiesische Natur Afrikas wider, aber auch das Leid von Sklaverei, Krieg und Diktatur. Der ewige Nil hat Jahrtausende der Geschichte durchflossen und dabei unendlich viele Tragödien und Triumphe erlebt.
Ihr, Euer
Dr. Klaus Hillingmeier
Chefredakteur