Editorial

Es wäre reizvoll gewesen, Parallelen zu suchen:­ eine mächtige Frau, verwickelt in wichtige Konflikte ihrer Zeit. Eine Frau mit scharfem Verstand, umgeben von zahlreichen Männern und lange nicht bereit, die eigene Nachfolge zu regeln. Eine Frau allerdings auch mit Sinn für Inszenierungen und mit schillerndem Privat­leben, da hätte die historische Parallele dann geendet – wenn wir sie uns ­gestattet ­hätten. Haben wir aber nicht. Wir haben nicht nach Berlin geschielt, sondern ­Elisabeth I., Englands große Königin der Renaissance, in ihrer eigenen Zeit belassen. Über den Abstand von mehr als 400 Jahren hinweg blicken wir staunend auf diese Persönlichkeit, die in mehr­facher Hinsicht die Grundlagen für das Großbritannien der Neuzeit geschaffen hat.

Er zögere nicht, diese Queen „die Große“ zu nennen, bekennt England-Experte Thomas Kielinger im Interview. Denn zusätzlich zu allen anderen Fronten habe sie, als Frau auf dem Thron, ununterbrochen den Kampf um ihre Legitimation führen müssen. ­Feministin war Elisabeth allerdings nur für sich selbst. Doch solche modernen Denkmuster sind eben fehl am Platz, wenn wir Menschen der Geschichte verstehen und würdigen wollen.

Wohl aber dürfen wir Ausschau halten nach zeitübergreifenden Themen. Als wir in der Redaktion über die Neupositionierung Englands in Europa sprachen, die Elisabeth erreicht hat, da ­bildeten die Post-Brexit-Verhandlungen die Begleitmelodie. Historie ist doch immer aktuell.

Ihre

Dr. Christiane Schlüter
Redakteurin