Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

ob Babet Cardel ahnte, dass sie eine künftige Kaiserin unterrichtete? Sophie von Anhalt-Zerbst jedenfalls behielt ihre französische Gouvernante noch in Erinnerung, als sie als Katharina II. über ein Imperium von der Ostsee bis zum Pazifik regierte. Und nein: Anfangs deutete wenig darauf hin, dass aus ebenjener Sophie eines Tages eine der mächtigsten Herrscherinnen der Geschichte werden würde.

Ihren Weg von einer Prinzessin aus einem unbedeutenden deutschen Fürstentum zu einer machtbewussten, klug vernetzten Frau, die sich an die Spitze des Russischen Reichs putschte, zeichnet Christoph Driessen in seinem Beitrag eindrücklich nach.

Katharina die Große polarisiert — bis heute. Auf der einen Seite verfolgte sie eine aufgeklärte, progressive Politik, förderte Kunst und Wissenschaften, auf der anderen Seite verfestigte sich in ihrer Regierungszeit das System der Leibeigenschaft. Sie führte Kriege, expandierte. Dass sie eine Frau war, habe für ihre Herrschaftsvorstellungen keine entscheidende Rolle gespielt, erklärt der Professor für Osteuropäische Geschichte Jan Kusber, mit dem ich über Katharina gesprochen habe.

Ich lade Sie ein, sich in dieser Ausgabe von G/GESCHICHTE PORTRÄT Ihr eigenes Bild von dieser facettenreiche Zarin zu machen, die so viel mehr war als die oft übertriebene Zahl ihrer Liebhaber.

Viel Vergnügen mit der Lektüre wünscht Ihnen

Christine Richter
Managing Editor